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Die E-Medikation als machtpolitischer Prüfstein

Von Ernest G. Pichlbauer

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Dr. Ernest G. Pichlbauer ist unabhängiger Gesundheitsökonom und Publizist.

Die E-Medikation führte wieder einmal zu einer recht heftigen medialen Reaktion. Alle Medien berichteten, teils sachlich, teils auch meinungsbildend.


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Für die Öffentlichkeit weitgehend unsichtbar, gab es eine regelrechte OTS-Schlacht (OTS = Originaltextservice; bezahlte Kurznachrichten in der Austria-Presseagentur). Aufhänger war die "Evaluierung" des neun Monate dauernden Pilotprojekts zur E-Medikation durch wissenschaftliche Experten. Die Fronten der Medienschlacht waren die gleichen wie bei jedem anderen gesundheitspolitischen Thema. Für die Einführung der E-Medikation waren alle, mit Ausnahme der Ärztekammer. Soweit, so normal.

In den Medien, vor allem jenen, die gerne auch Meinung machen wollen, wurde vor allem die Dringlichkeit der Einführung betont (mit dem Leichentuch gefuchtelt); vermutlich, weil der E-Medikation-Chef Volker Schörghofer schätzte, dass man hochgerechnet auf bis zu 100.000 gesundheitsgefährdende Medikamentenwechselwirkungen komme, die durch die E-Medikation verhindert werden könnten, und der Apothekerkammerchef Heinrich Burggasser nachsetzte, indem er meint, es sei "einfach lebensgefährlich, wenn man damit wartet". Kaum jemand hat sich bei solchen Aussagen angeschaut, was denn in dieser Studie tatsächlich untersucht wurde.

Im Evaluierungszeitraum, teilt man uns mit, haben 5431 Patienten sowie 41 Hausärzte, 31 Fachärzte, 50 Apotheken und 4 Krankenanstalten aktiv teilgenommen. Was aber nicht gesagt wird: Im selben Zeitraum wurden österreichweit mindestens 4,5 Millionen Patienten von 3500 Hausärzten, 4000 Fachärzten, 1000 Apotheken und rund 170 Akutkrankenanstalten versorgt. Eigentlich ist eine so kleine Studie kaum geeignet, um generelle Aussagen oder gar Hochrechnungen zu machen. Aber wahrscheinlich geht es, wie üblich, nicht um Sach-, sondern um Machtpolitik.

Neben den klingenden Zahlen sind es vor allem die Meinungsumfragen mehrerer Unternehmen, die zeigen, dass die Bevölkerung die E-Medikation will. Und das wiederum bedeutet, dass die Ärztekammer zunehmend an glaubhaftem Einfluss verliert.

Bisher galt, dass keiner sich mit ihr anlegen durfte, weil über die Kassenärzte rund 6 Millionen Österreicher bis zu 110 Millionen Mal (so viele E-Card-Kontakte gibt es jährlich) beeinflusst werden können. Keine auch noch so gut konzipierte Medienkampagne hat eine solche Reichweite - meinte man.

Und was passiert hier?

Immerhin hat sich die Ärztekammer auf die Fahnen geschrieben, E-Medikation und Elga (elektronische Gesundheitsakte) zu verhindern. Sie tut auch alles, um die Stimmung aufzuheizen - doch es wirkt offenbar nicht mehr. Die Patienten wollen trotzdem die E-Medikation. Sie hören einfach nicht mehr auf ihre Ärzte (oder die Ärzte auf ihre Kammer?).

Und genau hier haken jene Politiker ein, die ein Interesse daran haben, die Ärztekammer zu entmachten, und prüfen mit solchen Themen deren reale Macht.

Selber schuld, würde ich meinen. Denn so ist das halt, wenn jedes sachliche Thema zur Ideologiefrage stilisiert wird. Da darf man sich dann nicht wundern, wenn eben der politische Machtkampf zu einer Win-Lose-Situation führt - und man selbst zum Loser wird.