Die Impflotterie ist endgültig Geschichte. Nun grübelt die Koalition über die Verwendung der dafür vorgesehenen Milliarde Euro.
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Nach dem von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) bestätigten Entfall der am 20. Jänner für Mitte März angekündigten Impflotterie ist eine Debatte mit dem grünen Koalitionspartner über die Verwendung der dafür geplanten Milliarde Euro aufgekommen. Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) denkt nämlich daran, diese Mittel im Bereich der Pflege einzusetzen. "Mittel für die Pflege, vor allem auch struktureller Natur, wären aus meiner Sicht sehr sinnvoll", teilte das Büro des Gesundheitsministers der "Wiener Zeitung" mit. Das gelte "für die Menschen, die im Gesundheitswesen arbeiten, und auch aus einer gesamtgesellschaftlichen Sicht".
Hintergrund ist, dass der Bund und damit Mückstein als zuständiger Sozialminister bei der Pflege mit Geldforderungen der Bundesländer im Zusammenhang mit der angekündigten Pflegereform konfrontiert ist, weil die Ausgaben für den Pflege- und Sozialbereich in den vergangenen Jahren stark gestiegen sind. Die künftige Finanzierung der Pflege ist völlig offen, zumindest einen Teil der einen Milliarde Euro aus Bundesmitteln könnte Mückstein damit gut für die Pflege brauchen.
Mückstein will "nachhaltig" investieren
Zu Ersatzmaßnahmen für die Impflotterie stellte Mückstein generell fest: "Mir ist wichtig, dass wir hier gründlich, geordnet und nachhaltig vorgehen." Jedenfalls strebt der Minister eine längerfristige Lösung an. "Wir sprechen hier über hohe Geldsummen, und wir als Bundesregierung haben die Verantwortung, dass das Geld auch nachhaltig investiert wird", wurde in Mücksteins Gesundheitsressort betont.
Die Töne aus dem grünen Ministerium sind damit andere als jene des Kanzlers: Der hatte am Wochenende per "Krone"-Interview die Impflotterie nicht nur endgültig abgesagt, sondern vorgeschlagen, die dafür vorgesehene Milliarde Berufsgruppen zugutekommen zu lassen, die während der Pandemie besonders viel geleistet hätten. Konkret nannte er Gesundheits- und Pflegepersonal, Bundesheer und Polizei.
Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) sprach sich in der ORF-Sendung "Im Zentrum" am Sonntagabend indessen dagegen aus, das Geld an bestimmte Gruppen zu verteilen. Trotz abgesagter Lotterie plädierte er dafür, die Milliarde Euro für Impfanreize einzusetzen, was der ursprünglichen Idee entspreche.
"Ich hoffe, dass man diesmal bei Ankündigungen auch über die konkrete Umsetzung nachdenkt", sagt die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle in Anspielung auf das politische Hickhack bei Impfpflicht wie Impflotterie zu dieser Zeitung. Bei der Verteilung von Geld an bestimmte Berufsgruppen würde sich die Frage stellen, ob das sachlich gerechtfertigt sei. So könnten Supermarktkassiererinnen ebenso Ansprüche stellen wie etwa Lehrer, die durch Fernunterricht erheblichen Mehraufwand gehabt hätten. "Am Ende geht es darum, ob die Bevölkerung die Maßnahme gerecht findet", sagt Stainer-Hämmerle. Die Gefahr fortgesetzter "Neiddebatten" sei dabei gegeben.
Pflege in der Kompetenz der Länder
Den Pflegeberuf zu attraktivieren, sei sicher eine sinnvolle Idee, denn der Mangel an Pflegekräften werde künftig "eines der größten Probleme", so die Politologin. Dies müsse aber mit System angegangen werden, um wirksam zu sein, statt "willkürlich ein paar Boni zu verteilen". Bei strukturellen Maßnahmen im Pflegebereich komme man unterdessen mit einer Milliarde auch nicht allzu weit. Hinzu kommt: Pflege ist grundsätzlich Ländersache.
Die Gewerkschaft vida preschte am Montag vor und begrüßte eine Investition der Milliarde in den Gesundheits- und Pflegebereich. Systemerhalter hätten sich aber nicht nur eine Einmalzahlung verdient, sondern "vor allem nachhaltige Verbesserungen im Job-Alltag". Neben Personalaufstockung im Pflegebereich brauche es einen bundesweit einheitlichen Personalberechnungsschlüssel.
Im Kanzleramt wurde dieser Zeitung am Montag bestätigt, dass man aktuell nach einer Einigung mit dem grünen Koalitionspartner über die Verwendung des Geldes suche. Für den Beschluss wird die Regierung die SPÖ ins Boot zu holen suchen. Von der SPÖ war die Idee für ein "Belohnungssystem" für Geimpfte ausgegangen, das sich im Kompromiss der letztlich gescheiterten Impflotterie niederschlug. Eine "strukturelle" Verwendung im Pflegebereich, wie von Mückstein nicht näher präzisiert, wäre allerdings von einem Belohnungs-Signal schon relativ weit entfernt.