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"Wohl wert, dass sich ein Fürst sein unterwinde", dichtete Grillparzer auf Österreich. Kein Wunder, dass sich das Land nicht einfach umkrempeln lässt.
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In Großbritannien brechen nach dem Tod Margaret Thatchers alte Wunden auf. Die "Eiserne Lady" prägt und polarisiert ihr Land auch über ihr Leben hinaus, davon zeugen Würdigungen wie Schmähungen gleichermaßen.
Was die Frage aufwirft, ob ein einzelner Politiker auch Österreich in vergleichbarer Art und Weise seinen Stempel aufdrücken könnte. Eher unwahrscheinlich. In Österreich haben sich bisher die gewachsenen Strukturen als weitaus durchsetzungsfähiger erwiesen, die politischer Kontinuität vor abrupten Veränderungen den Vorzug geben. Oder anders ausgedrückt: Gegen die Sozialpartner und Länder lässt sich in Österreich nicht, zumindest nicht auf Dauer, regieren.
Wobei punkto Veränderungen schon eine Konkretisierung angebracht ist: In der Politik gibt es nämlich zweierlei Arten von Reformen: populäre, die primär darin bestehen, Wohltaten an die Bürger zu verteilen; und unpopuläre, die Menschen etwas wegnehmen. Das ist keine Unterscheidung zwischen sinnlosen und notwendigen Reformen (das erschließt sich erst aus den Rahmenbedingungen), sondern lediglich eine zwischen solchen, die einfach und schwer zu bewerkstelligen sind.
Natürlich drückte Bruno Kreisky Österreich seinen Stempel auf, allerdings nahm der Sonnenkönig den Bürgern nicht nur nichts weg, sondern überschüttete sie mit einem wahren Füllhorn an wunderbaren Neuerungen zum Nulltarif - von Gratis-Schulbuch über das Gratis-Studium bis hin zur Schülerfreifahrt. Dort, wo er gesellschaftspolitische Umbrüche einleitete, etwa in der Frauen- oder Justizpolitik, musste Kreisky zwar Widerstände überwinden, diese waren aber nicht per se Teil der politischen Interessenvergemeinschaftung (genau umgekehrt waren die Kräftepole im Kampf um das AKW Zwentendorf, wo Kreisky an einem Bündnis von Kernkraftgegnern scheiterte). Zudem schwamm Kreisky hier im westeuropäischen Mainstream.
Am ehesten käme wohl Wolfgang Schüssel in die Nähe von Thatchers Vorbild eines gesamtgesellschaftlichen Umbaus - allerdings weniger im realen Gehalt seines politischen Projekts als vielmehr in den Elogen seiner Anhänger und den Horrorszenarien seiner Gegner. Der ÖVP-Kanzler (2000 bis 2007) wollte zweifellos das Land nach seiner Vorstellung verändern, allerdings zeigten auch ihm die Sozialpartner die Grenzen seines Freiraums auf. Im Rückblick ähnelt Schüssels Reformleistung weitaus mehr der "Agenda 2010" des SPD-Kanzlers Gerhard Schröder als dem Radikalumbau der "Eisernen Lady". Zum dämonisierten Lieblingsfeind seiner Gegner hat er es trotzdem locker gebracht.
Geprägt hat auch Jörg Haider dieses Land, wenngleich dieser das System von außen zum Einsturz zu bringen versuchte. Allerdings war Haider immer mehr radikaler Rhetor als wirkmächtiger Tatmensch. Entsprechend finden sich seine Spuren am deutlichsten in der Radikalisierung der politischen Sprache.
Was in Sachen sozialer Revolution aus Frank Stronach wird, wird sich erst zeigen. Allzu große Erwartungen sind eher unangebracht, schließlich lernt auch das System beständig von seinen Kritikern.