Margaret Thatcher, Großbritanniens Premierministerin der 80er Jahre, erlag den Folgen eines Schlaganfalls.
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London. An schmückenden Namen hat es ihr nie gefehlt. Die Eiserne Lady nannte sie die ganze Welt. Als Nanny der Nation, als Gouvernante, auf deren Stimme man zu hören hatte, kannten sie ihre Anhänger. Politische Gegner wie den Labour-Veteranen und Ex-Minister Denis Healey erinnerte sie eher an "jene chinesische Drachenkaiserin, unter deren Herrschaft die Manchu-Dynastie ihren endgültigen Niedergang und Verfall erlebte". Frankreichs damaliger Staatspräsident François Mitterrand sagte ihr halb verzückt und halb erschrocken, "die Augen Caligulas und den Mund Marilyn Monroes" nach.
Margaret Hilda Thatcher, die am 13. Oktober 1925 geborene konservative Politikerin, ist am Montag als Baronin Thatcher im Alter von 87 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls gestorben.
Drei Wahlen gewann sie, 1979, 1983 und 1987, regierte Großbritannien bis 1990 und damit länger als jeder andere Premierminister im 20. Jahrhundert. Die achtziger Jahre wurden "ihr" Jahrzehnt. So gut sie konnte, modelte sie die britische Gesellschaft nach ihren Vorstellungen um. Darin sind sich heute, zum Zeitpunkt ihres Todes, Freund und Feind aus damaligen Tagen durchaus einig. Das Wörtchen "Thatcherismus" signalisiert den Respekt, den man dem Umfang dieser Umbrüche, ihrer "Naturgewalt", zusprach. Immerhin hatte keiner ihrer Vorgänger oder Nachfolger vermocht, seinem Namen einen -ismus anzuhängen.
Kreuzzug für
modernen Kapitalismus
Was der Quell ihres Denkens war, daraus machte die Krämerstochter aus dem nordenglischen Grantham nie ein Geheimnis. Strenge Hand und protestantisches Arbeitsethos standen an oberster Stelle ihres Wertekatalogs. Frömmigkeit, haushälterische Tugenden, unabhängiges Wirtschaften - und eine gute Portion Patriotismus gehörten natürlich dazu. "Ehrlicher Lohn für ehrliche Arbeit", beschrieb sie einmal, was sie im Elternhaus gelernt hatte.
An ihrem politischen Willen, an der persönlichen Entschlossenheit zu einem Kreuzzug für einen modernen Kapitalismus mit neoviktorianischem Überbau hat sie nie Zweifel gelassen. Einem eisernen Willen und härtester Arbeit (freilich auch dem Vermögen ihres Gatten Denis) verdankte die Mutter von Zwillingen ihren politischen Durchbruch. Ihre Nächte waren immer kurz. Ihr Arbeitspensum enorm. Auf Urlaub konnte sie verzichten, aber ein Leben ohne Arbeit konnte sie sich nicht vorstellen. Wie die Arbeitslosen, deren Zahl sich unter ihrer Regierung rasch mehrte, "das ohne alle Arbeit aushalten" konnten, ist ihr zeitlebens ein Rätsel geblieben.
Entspannung suchte sie im Streit mit Linken und Liberalen - und später in der Konfrontation mit dem "Ostblock", an der Seite von US-Präsident Ronald Reagan.
Respekt hat sie sich in der britischen Politik, als weiblicher Eindringling in die Männerdomäne Westminsters, natürlich erst verschaffen müssen. "Ich hätte", sollte sie später einmal sagen, "nie gedacht, dass eine Frau wirklich bis ganz oben kommen könnte." Als sie in No. 10 Downing Street einzog, rief sie ihre Ministerrunde und ihre Mitarbeiter - fast alle Männer - im scharfen Stil der Gouvernante zur Ordnung. Gelegentlich klagten Feministinnen wie Germaine Greer darüber, dass Thatcher "hinter ihren Perlen immun gegen die Folgen ihrer eigenen Brutalität" gewesen sei: "Hätte ein Mann versucht, dasselbe zu tun wie Thatcher, hätte man es ihm nie durchgehen lassen."
Inzwischen ist man mit solchen Vorurteilen vorsichtiger geworden. Die jüngsten radikalen Beschneidungen des Sozialstaats durch Thatchers "Enkel", den konservativen Premierminister David Cameron, gehen wesentlich weiter, als die Eiserne Lady zu gehen wagte. Dennoch hat Margaret Thatcher ihre politische Mission damals als "konservative Revolution" verstanden.
Revolutionär waren ihre unverhüllte Parteinahme für Unternehmer und besitzende Klasse; ihre Verachtung der Gewerkschaften und der "alten Arbeiterschaft". "Die Grenzen des Sozialismus zurückdrängen" wollte die Tory-Regierungschefin. Die Entfesselung der Märkte, der Verkauf von Sozialwohnungen an deren Bewohner, die große Privatisierungs-Kampagne ihrer zweiten Amtszeit veränderten das Gesicht Britanniens.
Die geschichtsträchtige Niederwerfung der Bergarbeiter, nach einjähriger gigantischer Schlacht um die Gruben, und der "Big Bang", die Öffnung der Londoner City für globale Geldflüsse, der radikale Umbau der Insel-Finanzwelt insgesamt, waren Höhepunkt im Feldzug des "Thatcherismus". Der Hass weiter Schichten in der nordenglischen und schottischen Bevölkerung war ihr seit damals gewiss und hat sich dort bis heute gehalten.
Krieg mit Argentinien sicherte dritte Amtszeit
Auch in der Außenpolitik galt Thatcher als unbeugsam. 1982 entschied sie durch den verlustreichen Einsatz eines britischen Flottenverbandes den Konflikt mit Argentinien um die Falkland-Inseln für ihr Land, was ihr den zweiten Wahlsieg sicherte. 1986 unterstütze sie den amerikanischen Luftangriff auf Libyen, im ersten Golfkrieg 1991 entsandte sie britische Truppen. In der EU setzte sie einen Rabatt für den britischen EU-Beitrag durch, der bis heute umstritten ist. Die Wiedervereinigung Deutschlands hatte sie zunächst abgelehnt. Mit US-Präsident Ronald Reagan verband sie eine innige politische und persönliche Freundschaft.
Sie selbst zeigte sich überaus erstaunt von der Wirkung ihrer Politik. Eigenständiges Kapital, sich selbst helfende Individuen waren die Elemente ihrer Vorstellungs-Welt. Dass es so etwas wie "society", wie Gesellschaft, gäbe, stritt sie einmal sogar rundweg ab. "Thatcher the Milksnatcher", Thatcher die Milchdiebin, war sie ja schon von Labour-Leuten gerufen worden, als sie, noch als Erziehungsministerin unter Ted Heath, englischen Schulkindern die kostenlose Milchspeisung strich.
"Wir lassen uns", verkündete sie schon früh und kategorisch, "von unserem Kurs nicht abbringen." Dabei hatte sie zum Beispiel bei der Öffnung der City, die eigenen alten Rezepte längst selbst über den Haufen geworfen. Bei aller nationalistischen Rhetorik hatte sie auch britische Traditionsunternehmen in ausländische Hand übergehen lassen und Großbritannien immer weiter in die Strukturen der EU hineingeführt.
Als der Widerspruch zwischen dieser Politik und ihrer Anti-Europa-Rhetorik ("No! No! No!") allzu deutlich wurde, war sie Ende der achtziger Jahre auch am Ende ihrer Zeit angekommen. Dass sie zuletzt die traditionellen Kommunalsteuern durch eine "Poll tax" zu ersetzen suchte, unter der jedermann in England, vom Grafen bis zum Müllmann, den gleichen Satz bezahlen sollte, war auch ihren letzten Gefolgsleuten im Kabinett zu viel. Sie zwangen sie zum Abgang. Unter Tränen musste sie im November 1990 den Regierungssitz verlassen.
Danach fand sie es schwer, sich aus der Politik, die ihr Leben war, ganz auszublenden. Ihrem Nachfolger John Major, den sie für völlig nutzlos hielt, suchte sie als "Rücksitz-Fahrerin" noch ein wenig ins Steuer zu greifen. Später, als für Labour Tony Blair die Regierung übernahm, war sie damit gar nicht so unzufrieden. Sie tröstete sich damit, dass sie einen neuen "politischen Konsensus" geschaffen hatte, dem sich auch Labour nicht mehr entziehen konnte. Blair nämlich privatisierte eifrig weiter und suchte sich das große Geld zum Freund zu machen.
Twittern gegen ein
Staatsbegräbnis für Thatcher
Auch die Cameron-Regierung hat ihre Politik fortzusetzen versucht, ohne sich allzu sehr auf sie zu berufen. Nun, nach ihrem Tod, soll sie ein "zeremonielles" Begräbnis "mit militärischen Ehren" erhalten. Das ist fast das gleiche wie ein Staatsbegräbnis. Nur soll es, unter dieser anderen Bezeichnung weniger Unmut unter all denen aufstören, denen die Thatcher-Ära noch immer in der Seele brennt. Dass es davon noch immer viele gibt, zeigt ein Blick auf den Kurznachrichtendienst Twitter. Bereits zwei Stunden nach Thatchers Ableben wurde dort unter dem hashtag #nostatefuneral mit den verschiedensten Argumenten posthum gegen die "Eiserne Lady" mobil gemacht, die entsprechende Online-Petition gegen ein Staatbegräbnis wies am späten Abend bereits knapp 20.000 Unterstützer auf.