Zum Hauptinhalt springen

Die endlose Geschichte von Atomausstieg und Endlagerung

Von Christian Lukner

Politik
Das Zwischenlager Gorleben hat eine Betriebsgenehmigung bis bis 2034. Was dann mit dem Müll geschehen soll, ist noch offen.
© GNS

Nachdem die Kommission ihre Empfehlungen abgegeben hat, muss die Endlagersuche endlich vorrangig behandelt und vorangetrieben werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 8 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Deutschland sitzt auf einem Berg von oberirdisch in Zwischenlagern gelagertem Atommüll (rund 500 Tonnen abgebrannte Brennelemente pro Jahr). Schnell muss der Gesetzgeber ran, um die gesetzlichen Rahmenbedingungen für das weitere Prozedere dieses "Endlosprojekts" zu schaffen. Das sollte rasch geschehen, sonst könnte es eng werden.

Die Endlagerkommission hat kürzlich zwar einen fast 700-seitigen Bericht vorgelegt, aber keine Problemlösung. Sie empfiehlt lediglich Kriterien, die im Wesentlichen seit mehr als 20 Jahren bekannt sind; dazu gehört der sichere Einschluss radioaktiver Substanzen wie Plutonium (geologische Stabilität, Erdbebensicherheit etc.). Neu ist nur die Verfahrensweise ("Transparenz"), nach der ein Endlagerstandort gesucht und unter Beteiligung der Öffentlichkeit bestimmt werden soll - ein ziemlich komplizierter Prozess, der sehr, sehr viel Zeit in Anspruch nehmen dürfte.

Dabei wird eine weiße Karte zugrundegelegt, weil das Endlager im Prinzip überall hinkommen kann - in der Theorie jedenfalls. De facto scheiden aber 99 Prozent der Fläche von vornherein aus, wo man erst gar nicht einen Standort für hochradioaktiven Müll zu suchen braucht, da man dort keine geeignete geologische Formation entsprechender Konsistenz und Mächtigkeit finden wird. Übrig bleiben dann ein paar Fleckchen, wo man vielleicht Gesteine wie Granit (Bayern) oder Ton (Baden-Württemberg) vorfindet, deren Eignung aber kein Mensch vorhersehen kann. Auch der Salzstock Gorleben gehört dazu. Das Zwischenlager wurde in den vergangenen Jahren genau untersucht und von den meisten Experten als geeignet empfohlen. Die nicht ganz triviale Aufgabe besteht nun darin, einen Standort zu suchen, der noch "besser" geeignet wäre beziehungsweise die "bestmögliche Sicherheit" für Mensch und Umwelt bietet, und zwar eine Million Jahre lang.

Im Gegensatz zu den weithin bekannten Vergleichskriterien, denen im Endbericht breiter Raum gewidmet wird, werden die Möglichkeiten neuester technologischer Entwicklungen, etwa im Bereich der "Entschärfung des Atommülls" durch Brüter oder beschleunigerbasierte Transmutationstechnologien, kaum diskutiert. Damit ließe sich aber die Lagerzeit auf nur noch 300 bis 400 Jahre begrenzen! Wo bleibt da der kerntechnische Sachverstand eines Landes, in dem die Kernspaltung entdeckt wurde?

Ob die Energiewende insgesamt gelingt, wird auch davon abhängen, ob die Gesellschaft bereit ist, bestimmte Einschränkungen, die eine dezentrale Stromversorgung mit sich bringt, in Kauf zu nehmen. Hinzu kämen zwangsläufig notwendige Investitionen in den Netzausbau, die Verkehrsinfrastruktur und modernste Speichertechnologien.

Eines steht fest: So schnell, wie sich das manche gedacht haben, werden wir das Atomthema (als zentrales Element der Energiewende) nicht los, im Gegenteil: Es wird noch Jahre, wenn nicht gar Jahrzehnte dauern, die Folgen des Atomausstiegs (bis 2021), insbesondere im Endlagerbereich, zu bewältigen - sprich: einer wirklichen Lösung zuzuführen. Eine Abwälzung der Probleme auf zukünftige Generationen sollte und darf es dabei nicht geben.

Christian Lukner war im Forschungs- und Umweltministerium in Bonn u.a. für die Entsorgung nuklearer Abfälle zuständig; derzeit nimmt er einen Lehrauftrag "Umweltpolitik" wahr.