Die Sektoren, die zusammen 80 Prozent des Energieendverbrauchs ausmachen, sind weiterhin fest in fossiler Hand.
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Der Ausdruck "Energiewende" ist eine der erfolgreicheren Wortschöpfungen der vergangenen Jahre. Was sich derzeit weltweit beobachten lässt, ist allerdings lediglich eine "Elektrizitätswende." Wie der aktuelle "Global Status Report 2018" des Politik-Netzwerkes REN21 (www.ren21.net ) zeigt, schreitet die Umgestaltung des Stromsektors in Richtung mehr Erneuerbare weiterhin gut voran: An die 70 Prozent des Zuwachses an installierter Kapazität betraf 2017 erneuerbare Energie, vor allem Photovoltaik und Wind, mit doppelt so hohen Investitionen wie jene in fossile Energie und Nuklearenergie zusammen.
Jedoch sind die Sektoren, die zusammen 80 Prozent des Energieendverbrauchs ausmachen - Heizung und Kühlung (48 Prozent) sowie Verkehr (32 Prozent) -, weiterhin fest in fossiler Hand. Da sich nur wenige Länder Ziele zur Erhöhung des Anteils von erneuerbaren Energien gesetzt haben - für Heizen und Kühlen 48, für Verkehr 42 -, wird sich an dieser Situation kurzfristig nicht viel ändern. Dieses fossile Beharrungsvermögen, gekoppelt mit Bevölkerungswachstum und wirtschaftlichem Aufschwung in Schwellenländern, hat 2017 zu einem Anstieg der weltweiten Nachfrage nach Energie, leider verbunden mit einem Anstieg auch der weltweiten CO2-Emissionen, geführt. Die globale Entkoppelung von Weltwirtschaftswachstum, Energienachfrage und CO2-Ausstoß, über die wir uns in den Jahren 2014 bis 2016 freuen konnten, ist somit nicht strukturell abgesichert und von Dauer.
Möglichkeiten für neue klimafreundlichere Wirtschaftskooperationen eröffnen sich für europäische Autofirmen - wie etwa VW, das vor kurzem angekündigt hat, mehrere Produktionsstätten in China zu eröffnen - im Bereich der Elektromobilität. China plant, dass bis 2025 unter den Autokäufen der Anteil
der E-Autos und Hybridfahrzeuge mit elektrischer Aufladefunktion
20 Prozent betragen soll.
Der Transportsektor basiert heute weltweit zu 92 Prozent auf Erdöl. Dass dies nicht nur ökologisch nicht nachhaltig ist, sondern auch kurzfristig zu gefährlicher gesellschaftlicher Destabilisierung führen kann, zeigten die jüngsten Streiks von Lkw-Fahrern in Brasilien. Das brasiliansiche Transportwesen ist praktisch zu 100 Prozent von Verbrennungsmotoren - in Lkw, Autos, Flugzeugen, Schiffen - abhängig; es gibt kein nennenswertes öffentliches Bahnnetz. Die Lkw-Fahrer blockierten Straßenknoten und stellten die Zulieferung von Treibstoff an Tankstellen ein. Flüge wurden gestrichen, Schulen blieben geschlossen. Die Regierung griff auf die Streitkräfte zurück, um Flughäfen offen zu halten und die Notversorgung von Spitälern zu sichern. Das Eingehen auf die Forderungen der Lkw-Lobby - vor allem eine Senkung des Diesel-
preises - wird zu Kürzungen im Bildungsbudget des Landes führen.
Positive Trends kann der Global Status Report 2018" vor allem noch auf der Ebene von Stadt- und Regionalentwicklung sowie bei den Energieeinkäufen von Unternehmen konstatieren. Und für die Überwindung der extremen Energiearmut in Ländern des globalen Südens werden dezentrale, mit Erneuerbaren gespeiste Lösungen zunehmend auch von den Finanzinstitutionen ermöglicht.