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Die Entfilialisierung der Banken

Von Clemens Neuhold

Wirtschaft

Weil der Druck zu Filialschließungen so stark ist, fordert die Gewerkschaft eine Branchenstiftung wie zu Zeiten der Stahlkrise.


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Wien. 24 Euro pro Quartal für ein klassisches Kontopaket oder doch nur sechs Euro fürs Online-Konto? Wer bei der Bank Austria Kunde ist und eine Bankfiliale kaum noch von innen sieht, wird wohl die sechs Euro wählen.

Dass kleinere Filialen durch Online-Banking zunehmend unter Schließungsdruck geraten, liegt auf der Hand. Deswegen zieht die Bank Filialen künftig in große "Multi-Filialen" zusammen, die in Wien an 30 Standorten bis 18 Uhr offen haben oder stellt 80 Mitarbeiter für Videoberatung bis 20 Uhr ab. Schöne neue Bankenwelt - mit halb so vielen Filialen und 15 Prozent weniger Mitarbeitern in den nächsten fünf Jahren.

So zumindest prognostizierte es Bank-Austria-Chef Willibald Cernko im Sommer für die Branche - und daran habe sich nichts geändert, sagt sein Sprecher. Die Bank geht am offensivsten mit dem Strukturwandel um und forciert ihn sogar - siehe Onlinepaket. Als ostlastige "Stadtbank" tut sie sich leichter als Raiffeisen oder Erste Bank, die am Land mit einer Filialschließung eine kleine Ortskrise auslösen können. Doch auch diese Institute hat der aufgestaute Strukturwandel voll erfasst. Die Zahl der Erste-Filialen sank von 2012 auf 2013 von 134 auf 115. Aufgestockt wurde dafür die Zahl der OMV-Bankstellen.

"Wir stehen nicht am Reißbrett und streichen jede dritte Filiale raus", sagt Erste-Sprecher Michael Mauritz. Online-Banking und Smartphones würden die Filialen aber natürlich "entlasten".

Bei der Erste Bank werden zehn Prozent aller Inlandsüberweisungen mit einem Smartphone getätigt, eine Steigerung alleine im ersten Quartal um 20 Prozent. Das Internetbanking habe in zehn Jahren um 160 Prozent auf 1,3 Millionen User zugelegt.

Ein österreichisches Spezifikum verschärft den Strukturwandel, der voll eingesetzt hat. Kommen in anderen Industrieländern auf eine Filiale rund 5000 Bürger, sind es in Österreich 2000. Das kann sich nicht rechnen, vor allem im Zeitalter der homöopathischen Zinsen und Margen. Hinausgezögert wurde die Anpassung nur durch die guten Gewinne im Osten. "Man konnte es sich leisten, nicht zu sanieren, die Phase ist nun vorbei", sagt Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo).

Die Gewerkschaft für Privatangestellte (GPA-djp) fordert deswegen eine Branchenstiftung. Der Betriebsrat der Bank Austria, Adolf Lehner, meint dazu: "Wenn Veränderungen in der Branche so stark werden, wie sich das abzuzeichnen beginnt, ist es uns gewerkschaftlich wichtig, diesen Strukturwandel beispielsweise über eine Branchenstiftung zu begleiten." Branchenstiftungen gab es unter anderem in der europäischen Stahlbranche, um den Niedergang Ende der 70er Jahre zu begleiten.

Derzeit schafft es etwa die Bank Austria noch, ohne betriebsbedingte Kündigungen auszukommen. 1300 Mitarbeiter arbeiten Teilzeit, der Rest geht in Pension und wird nicht nachbesetzt. Bei den Problembanken wie der Volksbank könnte das nicht so glimpflich ausgehen.

Mitarbeiter müssen nicht abgebaut werden, um Kosten zu sparen. Man kann sie auch "outsourcen". Das ist seit Jahrzehnten im Gange. So werden Leistungen, die nicht zum Kerngeschäft gehören, wie Bargeldlieferungen, Betreuung der Bankomaten oder die Buchhaltung extern zugekauft. Netter Nebeneffekt: Es fällt nicht mehr der vergleichsweise großzügige Banken-Kollektivvertrag an.

Nun ist aber laut Betriebsrat Lehner "bei den Auslagerungen mit Sicherheit ein kritischer Punkt erreicht, der nachhaltig Jobs in Österreich kostet. Das können wir als Gewerkschaft nicht mehr akzeptieren."

Denn um Kosten zu sparen, lagern die Banken immer stärker auch Kernsparten aus, beklagt die Gewerkschaft. Und werden diese ins Ausland - meist in den Osten oder zu ausländischen Schwestergesellschaften - ausgelagert, seien heimische Jobs weg. Soll im Inland ertragreicher gewirtschaftet werden, werden ganze Abteilungen oder Sparten "ausgetöchtert" oder an Dritte vergeben.

Diese Auslagerungen killen Jobs, beklagen die Gewerkschafter. Bei "Nearshoring" - so wird die Verlagerung vorzugsweise nach Osteuropa wie Tschechien, Rumänien oder Polen genannt - werde jeder dritte davon betroffene Job vernichtet. Das gaben Betriebsräte großer Banken nach einer Befragung der Arbeiterkammer im Auftrag der Gewerkschaft GPA-djp zu Protokoll. Für die Erhebung wurden 25 abgeschlossene bzw. laufende Auslagerungsprojekte von Großbanken abgefragt. 2600 Arbeitsplätze waren in diesen 25 Fällen von Outsourcing & Co. betroffen, mehr als 800 davon dürften verloren gehen, hieß es am Dienstag vor Journalisten. Die erhofften Kosteneffekte würden unterm Strich in Zweifel gezogen. "Vor zehn, fünfzehn Jahren waren es tertiäre Dienstleistungen wie Immos, Werksküchen, Fuhrpark, Facility Management. Aber jetzt geht es scheinbar auch die Kernbereiche hinein", sagt Heinz Leitsmüller, Betriebswirtschafts-Chef der Arbeiterkammer Wien. Zu den bekannten Sparten wie IT und Zahlungsverkehr werden nun aber Kreditfabriken, Treasury, Wertpapierabwicklung, Kontoführung oder Bilanzanalyse genannt.

Bei der Bank Austria in Österreich ist nach Betriebsratsangaben ein Drittel der inländischen Mitarbeiter nicht mehr in der Bank-AG beschäftigt. Bei der Raiffeisenlandesbank Niederösterreich Wien sind es einige hundert. In der Bawag sind rund 20 Prozent der Leute in bankeigenen Töchtern ausgegliedert, in der Erste Bank Österreich wurden zehn Prozent der Beschäftigten Töchtern überlassen.

GPA-djp-Chef Wolfgang Katzian sieht nicht nur weitere Jobs insgesamt in Gefahr und den Druck auf die verbliebende Belegschaft steigen.