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Die entpolitisierte Republik

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
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Eigentlich würde man ja vermuten: Politik ist den Menschen in Wahlkampfzeiten zumutbar. Wann auch sonst, könnte man hinzufügen?

Die Realität sieht, wie man derzeit sieht, anders aus. Österreichs Parteien, die beiden großen ganz besonders, meiden im Wahlkampf heiße politische Eisen und konkrete politische Konzepte wie der sprichwörtliche Teufel das Weihwasser. Angeblich, weil in der hitzigen Atmosphäre nicht ernsthaft über ernsthafte Dinge diskutiert werden könne, nur leere Schlagworte und hohle Phrasen gedroschen würden etc. etc.

Das ist kein ganz falsches Argument, und man könnte auch durchaus damit leben, wenn denn wenigstens in der Zeit zwischen zwei Wahlkämpfen ernsthaft über ernsthafte Dinge öffentlich verhandelt werden würde. Aber auch das ist nicht der Fall. Und die Erklärung ist um einiges vielschichtiger.

Das Erfolgsgeheimnis der Zweiten Republik liegt, zugespitzt formuliert, in der Entpolitisierung der öffentlichen Streitkultur. Vor Publikum haben die Kontrahenten einander mit Parolen beschimpft, wirklich geredet und verhandelt miteinander wurde hinter verschlossenen Türen.

Darin liegt auch der tiefere Sinn der Sozialpartnerschaft: nämlich die Suche nach Kompromissen aus dem Parlament herauszuhalten und an einen verschwiegeneren Ort zu verlagern.

Das funktioniert bis heute einigermaßen leidlich, und der Preis besteht in Generationen von Politikern, denen die Vorstellung einer lebendigen öffentlichen Debatte um Sachthemen fremder nicht sein könnte. Und deshalb wird nicht in diesem Wahlkampf und sicher auch nicht im nächsten über Themen wie die europäische Integration, Pensionen, die Sorgen der Jungen, Sicherheit, die Rolle des Staates, ein effizientes wie gerechtes Steuersystem oder die Modalitäten einer Energiewende angemessen diskutiert.

Für die höchst überfällige Re-Politisierung der öffentlichen Debatte braucht es eine Stärkung des Parlaments und der Zivilgesellschaft. Die Gründung neuer, von den klassischen Interessenvertretungen unabhängiger Think Tanks, egal, ob linker oder rechter Ausrichtung, ist ein Schritt auf diesem Weg. Jetzt müsste sich nur noch das Parlament zum aufrechten Gang ermannen. Eine Debatte darüber wäre mindestens so lohnend wie die aufgeregte Thematisierung von Plakatsujets und Spitzenkandidatenrhetorik.