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Die Erben der Kirchners

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik

Auch der neue Staatschef könnte der Dynastie Kirchner nahestehen.


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Rio de Janeiro/Buenos Aires. So viel Ehrlichkeit sind die Argentinier nicht wirklich gewohnt: Mit dem Geständnis: "Ab und zu mal ein Viagra nehmen, das kann doch jeder", überraschte Mauricio Macri seine Landsleute. Der Bürgermeister von Buenos Aires hat damit in der Schlussphase des argentinischen Wahlkampfes zumindest die Aufmerksamkeit auf seine Kampagne gelenkt. Immerhin 72.000 Leser hatte das Interview beim Nachrichtenportal Infobae und damit gut dreimal so viel wie die eher harmlosen Geständnisse von Konkurrent Daniel Scioli, der seine Einstellung zu Liebesdingen allerdings für sich behielt: "Ein Kavalier hat keine Erinnerung."

Zumindest eines steht fest vor dem Urnengang am Sonntag: Argentinien wird künftig wieder von einem Mann regiert und damit ändert sich auch wieder der Umgangston im "Casa Rosada" in Buenos Aires. Die Ära Cristina Kirchner neigt sich dem Ende zu, die Nachfolgerin und Ehefrau des inzwischen verstorbenen Nestor Kirchner darf nach zwei Amtsperioden gemäß der Verfassung des südamerikanischen Landes nicht erneut antreten.

Ansonsten scheint aber noch sehr vieles offen am Rio de la Plata. Das liegt auch am argentinischen Wahlgesetz, das vorsieht, dass sich ein Kandidat entweder mit über 45 Prozent im ersten Wahlgang durchsetzt oder dass alternativ jener Kandidat das Rennen für sich entscheidet, der über 40 Prozent der Stimmen gewinnt und zugleich über zehn Prozent Abstand zum zweitbesten Kandidaten aufweist.

Glaubt man den Umfragen, dann gibt es zwar einen personellen Wechsel an der Spitze des Staates, aber keinen durchgreifenden Wandel der Politik. Denn ein Kirchner-Vertrauter hat die besten Chancen. Daniel Scioli gilt als einer, der die Politik der Kirchner-Dynastie fortsetzen will. Er kann auf ein eingespieltes Machtgefüge aus staatlichen Medien und Parteiapparat bauen.

Scioli gilt als zwar deutlich moderater als die linkspopulistischen Kirchners, doch von ihm ist kein wirklicher Politikwechsel zu erwarten. Scioli, der bei einem Bootsunfall einen Arm verlor, geht als Vertreter der Regierungspartei "Front für den Sieg" (Frente para la Victoria) ins Rennen und steht für das klassische "Weiter so" in Argentinien.

Bürgerlicher Kandidat will Unternehmer stärken

Spannend ist vor allem die Frage, ob der Gouverneur der Provinz Buenos Aires die wichtige Marke von 40 Prozent erreicht oder nicht. Davon wird es abhängen, ob ein zweiter Wahlgang nötig sein wird, wie ihn viele Experten erwarten. Sein aussichtsreichster Herausforderer ist Mauricio Macri vom bürgerlichen Wahlbündnis PRO.

Macri steht für einen deutlich unternehmerfreundlicheren Kurs, für eine Liberalisierung der durch zahlreiche Regulierungsmaßnahmen aus der Kirchner-Ära drangsalierten Wirtschaft. Das macht den Kandidaten in der bürgerlichen Mitte und im konservativen Lager populär. In den Armenvierteln, der klassischen Machtbasis des Kirchner-Blocks, schlägt dem Bürgermeister der Hauptstadt dagegen eine skeptische Grundstimmung entgegen.

Dritter im Bunde ist ein ehemaliger Kirchner Gefolgsmann: Sergio Massa geht als Vertreter des Bündnisses UNA, "Unidos por una Nueva Argentina" (Vereint für ein neues Argentinien), ins Rennen. Er hat sich vom Kirchner-Clan losgesagt und plädiert für einen politischen Neustart. Er selbst sieht sich als wahrer Vertreter des populären Peronismus. Alle anderen Kandidaten des ersten Wahlgangs sind eher aussichtslose Mitstreiter, die in den Umfragen keine Rolle spielen.

Egal, wer die insgesamt zwölfjährige Dominanz der Kirchners beenden wird - auf das kommende Staatsoberhaupt warten große Probleme. Vor allem die Inflation trifft die Menschen in Argentinien hart. Preissteigerung und die Rückkehr der Geldwechsler bestimmen das Straßenbild, längst flüchten die Menschen wieder in den Dollar. Der argentinische Peso hat auf der Straße einen Kurs von rund 1:14 zu erreicht, kein anderer Wert dokumentiert deutlicher das schleichende Vertrauen in die eigene Währung. Hinzu kommt der immer noch offene Streit mit den US-amerikanischen Hedgefonds, die auf eine vollständige Rückzahlung der Milliarden-Staatsanleihen bestehen. Ein Erbe, über das sich keiner der potenziellen Sieger freuen dürfte.

Immerhin wird ein anderes Gesicht im "Casa Rosada" aber neue Bewegung in den festgefahrenen Streit mit den Fondsmanagern bringen, der wie ein Damoklesschwert über dem Staatshaushalt hängt. Bleibt der Kampf gegen die Armut und den immer aggressiver um sich greifenden Drogenhandel, der das Land zunehmend im Griff hat.

Eigene Art der Problemlösung

Die Kirchner-Regierung hat auf die Armutsstatistik der Katholischen Universität (UCA), die das Wachstum der Armut auf über 30 Prozent bezifferte, auf ihre ganz eigene Art reagiert: "Ich glaube absolut nichts von dem, was diese Beobachtungsstelle der UCA da gemessen hat", sprach Kirchners Kabinettschef Anibal Fernandez den Daten jede Glaubwürdigkeit ab. Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) habe in ihrer Statistik nachgewiesen, dass in Argentinien der Hunger und faktisch auch die Armut ausgelöscht sei. Auch so kann man Probleme lösen.