Nach der Vermögenssteuer wackelt auch die Erbschaftssteuer.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wien. SPÖ: Reichensteuern jetzt. ÖVP: keine neuen Steuern. An dieser Front drohte die große Koalition zu zerbrechen. Und nun die Rochade in der rot-schwarzen Mannschaft samt Kuschelkurs.
Am Frontverlauf ändert sich nichts. Nur sind Parteien offensichtlich bereit, dem Partner deutliche Gebietsgewinne zuzugestehen. Der neue ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling will zwar erst "am Schluss" über eine "Gegenfinanzierung" - Reiche zahlen mehr, Mittelstand weniger - reden. Das impliziert aber zumindest Gesprächsbereitschaft. Das unterscheidet Schelling von seinem Vorgänger Michael Spindelegger. Auf der anderen Seite versichert Bundeskanzler Werner Faymann, man werde sich in der Debatte über die Gegenfinanzierung "nicht in tiefe Gräben eingraben". Die neue SPÖ-Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser meint gar: "Wichtig ist eine Lohnsteuersenkung", woher das Geld komme, sei "egal".
Die Maximalforderung der SPÖ: Klassische Vermögenssteuer auf Häuser, Aktien, Bares oder Bilder sowie eine Neuauflage der Erbschaftssteuer scheinen der neuen Harmonie zum Opfer zu fallen. Forciert Schelling die in Wirtschaftskreisen verpönte Vermögenssteuer, kann er rascher Geschichte sein als Spindelegger. Doch auch die Erbschaftssteuer scheint nicht mehr jener Graben, in den sich die SPÖ eingräbt.
Abweichung umMilliarden
So richtig laut rufen derzeit nur die Grünen danach. Aus Sicht der Ökopartei ist ohne sie keine spürbare Steuerentlastung möglich. Denn laut einer Studie der Wirtschaftsuniversität Wien brächte sie pro Jahr eine Milliarde Euro - Tendenz stark steigend.
Völlig konträr die Berechnungen des Finanzministeriums. Bei der Erbschaftssteuer kommt man dort auf ein maximales Aufkommen von rund 15 Millionen Euro. 2007 - vor der Aufhebung - habe es 24 Erbschafts- und 25 Schenkungssteuerfälle über einer Million Euro gegeben. Diese Untergrenze sieht der SPÖ-Entwurf vor, damit die Steuer nicht die Häuslbauer, sondern die wirklich Reichen trifft. Mit dieser Grenze, so das Finanzministerium, wurden damals 12 Millionen Euro erzielt. Heute wären das 15 Millionen.
Zwischen den beiden Berechnungen dürfte das realistische Szenario liegen, zu beobachten in Deutschland. Dort bringt die Steuer 4,6 Milliarden Euro ein. Auf Österreich umgelegt wären das rund 450 Millionen.
Beim Nachbarn ist die Steuer eine fiskalische Dauerbaustelle und das könnte auch Österreich blühen. Denn so wie in Deutschland würden auch in Österreich Firmen bei der Übergabe an die Erben geschont werden. Sonst stimmt der Wirtschaftsflügel der ÖVP nie zu.
In Deutschland gab es vor der Reform 2008 Fälle von Familien, die sich verschulden mussten oder den elterlichen Betrieb gar verkaufen, um die Steuer zu bezahlen. Nach der Novelle ersparten sich Erben von Firmen die Steuer, wenn sie die Betriebe fünf Jahre fortführten und Jobs erhielten. Mit der neuen Regelung öffneten sich aber zahlreiche Schlupflöcher. So wurde Privatbesitz und "Cash" im großen Stil in Firmenvermögen verschoben und von der Steuer verschont.
Bis zu 300 Wohnungen können außerdem als "Wohnungsunternehmen" steuerfrei vererbt werden. Den "Arbeitsplatzerhalt" müssen nur Betriebe mit über 20 Mitarbeitern erfüllen, um die Begünstigung zu lukrieren. 90 Prozent der deutschen Betriebe können die Erbschaftssteuer demnach sehr leicht umschiffen. Die potenziellen Einnahmen des Fiskus halbierten sich durch diese Ausweichmöglichkeiten. "Überall dort, wo man Steuern mit Ausnahmen einführt, sprießen die Umgehungsmöglichkeiten", sagt Steuerberater David Gloser von Ecovis. Er weist außerdem auf die Stiftungen hin, ohne die eine Erbschaftsteuer "komplett widersinnig" wäre. "Sie sind die stärksten Vermögensvehikel Österreichs, dort sind die großen Industriefirmen geparkt.
Da eine Stiftung nicht sterben kann, muss sie in einer Art fiktivem Tod alle 30 Jahre Erbschaftssteuer zahlen. Laut Gloser wäre das ein "massiver Eingriff".
Eine "kalte Enteignung" ist allerdings auch die kalte Progression, die den Steuerzahlern jährlich 500 Millionen Euro nimmt, nur weil die Steuerstufen nicht an die Inflation angepasst werden. Das ist mit ein Grund, warum der Druck auf die Lohnsteuersenkung so stark gestiegen ist. Steigt er weiter, könnte es doch eng werden für die Erben - doch dann muss die Steuer gut designt sein. Sonst kippt sie - so wie es in Deutschland im Herbst passieren könnte - der Verfassungsgerichtshof.