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Die Erdgas-Revolution

Von Ronald Schönhuber

Wirtschaft

Donald Trump beschwört das Comeback der Kohle. Laut dem jüngsten "World Energy Outlook" lässt sich aber der Siegeszug des von Jahr zu Jahr billiger werdenden Erdgases kaum aufhalten.


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London. Vor knapp 14 Monaten hatte Donald Trump in West Virginia ein großes Comeback beschworen. "Wir werden die Kohle zu 100 Prozent zurückbringen", versprach der republikanische Präsidentschaftswerber den zahlreichen Anhängern, die zu seiner Wahlkampfveranstaltung gekommen war. Des Beifalls konnte sich Trump damals sicher sein. Schließlich zählt West Virginia zu den Hochburgen der US-Kohleindustrie und der unkonventionelle Kandidat galt vielen der um ihre Jobs fürchtenden Kumpel als letzter Rettungsanker.

Mittlerweile residiert Trump seit mehr als zehn Monaten im Weißen Haus. Und in dieser Zeit hat der ehemalige Fernseh-Reality-Star einiges unternommen, um sein in West Virginia gegebenes Versprechen einzulösen. Die Regulierungen für die Kohleindustrie wurden spürbar gelockert, der "Clean Power Plan" seines Amtsvorgängers Barack Obama, der die Kraftwerke sauberer machen sollte, in vielen Bereichen aufgeweicht.

Doch trotz all dieser Bemühungen hat sich der gewünschte Erfolg bisher kaum eingestellt. So ist zwar die Zahl der beschäftigten Minenarbeiter seit November 2016 um knapp 2200 auf 51.900 gestiegen. Doch schon der Ausblick für das kommende Jahr ist wieder trübe. Nach einem vor allem vom Export getriebenen Anstieg um acht Prozent im heurigen Jahr wird die US-Kohleproduktion laut den derzeitigen Prognosen schon 2018 wieder zurückgehen. Auch mittelfristig dürfte es kaum besser werden. "Wir planen keine zusätzlichen Kohlekraftwerke", sagt Melissa McHenry von American Electric Power (AEP). Das Unternehmen aus Ohio ist einer der größten Energieversorger der USA und liefert Strom in elf Bundesstaaten.

Billig dank flüssig

Dass Unternehmen wie AEP nicht nur keine neuen Kohlekraftwerke planen, sondern sogar viele der bestehenden schließen wollen, hat vor allem mit den Kosten zu tun. Denn seit die US-Fracking-Industrie die unterirdischen Schieferformationen im großen Stil aufsprengt, wird Erdgas von Jahr zu Jahr billiger, während die Kohle unter Marktgesichtspunkten immer weniger konkurrenzfähig ist.

Der Siegeszug des Erdgases ist allerdings nicht auf die USA beschränkt, sondern ein globales Phänomen. So geht der am Dienstag veröffentlichte "World Energy Outlook" der Internationalen Energieagentur (IEA) davon aus, dass Erdgas in den kommenden Jahrzehnten der zweitwichtigste Energieträger nach dem Erdöl sein wird. Bis 2040 dürfte die weltweite Nachfrage hier um nicht weniger als 45 Prozent zunehmen. Die Nachfrage nach Kohle soll dagegen kaum noch steigen beziehungsweise vielerorts spürbar zurückgehen.

Verantwortlich für die massiven Umwälzungen ist vor allem die technische Entwicklung. Denn in der Vergangenheit spielten Pipelines bei der Gewinnung von Erdgas eine zentrale Rolle. Ohne die Aussicht auf entsprechende Transportmöglichkeiten wurden keine neuen Felder erschlossen, die geografischen Gegebenheiten schufen zudem drei große, voneinander abgekoppelte Märkte, die jeweils ein eigenes Preisregime verfolgten.

Mit den Fortschritten im Verflüssigungsprozess ist Erdgas hingegen zu einem global handelbaren Gut geworden. Überall in der Welt sind neue Spezialterminals entstanden, an denen riesige Tanker das sogenannte LNG (Liquified Natural Gas) aufnehmen oder entladen können. Profitiert haben von diesen Möglichkeiten nicht nur kleinere oder geografische benachteiligte Produzenten, sondern auch die Abnehmer. Sie zahlen auf Grund der gestiegenen Konkurrenz nun deutlich weniger als in der Vergangenheit.

Ungestillter Energiehunger

Trotz der Erdgas-Revolution, dem sich abzeichenenden Ende der Kohle und dem ebenfalls erwarteten Boom bei erneuerbaren Energien warnt die IEA allerdings vor allzu großer Zuversicht. Denn auch wenn Erdgas der klimafreundlichste unter den fossilen Brennstoffen ist und die erneuerbaren Energien bis zu 40 Prozent zum Energiemix beitragen könnten, wird wohl ein Gutteil der daraus resultierenden CO2-Einsparungen durch den generellen Anstieg der Energienachfrage wieder zunichtegemacht werden.

So gehen die Autoren des Energy Outlooks davon aus, dass der weltweite Energiebedarf bis 2040 um 30 Prozent zulegen wird. Dieser Zuwachs entspricht dem heutigen Bedarf von China und Indien zusammen. Die beiden Ländern sind es auch, die mit jeweils knapp 30 Prozent den größten Anteil am Mehrbedarf haben, wobei China bis 2040 sogar die EU beim Pro-Kopf-Energieverbrauch überholen dürfte.