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Die Daten der Vergangenheit sind bekannt, doch über die zukünftige Entwicklung von Konjunktur und Börse scheiden sich die Geister. Rutschen wir in die nächste Rezession, schrammen wir knapp an einem Rückfall vorbei, oder wird sich das Blatt bald endgültig wieder zum Guten wenden?
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"Der Börsenabsturz seit März 2000 war der zweitstärkste seit der Börsenkrise 1929", erläuterte gestern Marianne Kager, Chefvolkswirtin der Bank Austria-Creditanstalt (BA-CA) vor Journalisten das historische Szenario. Zudem habe die Konjunkturentwicklung in den USA nicht das gehalten, was die Zahlen des ersten Quartals 2002 versprochen hatten.
Nach den jüngsten Bilanzskandalen in den USA sei das Verbrauchervertrauen erneut gesunken. Die gestiegene Arbeitslosenrate und die Verluste der US-Haushalte an den Börse würden sich negativ auf den Konsum auswirken, analysierte die BA-CA. Inklusive Multiplikatoreffekte dürfte damit das Wachstum in den USA um rund einen Prozentpunkt niedriger liegen als bisher angenommen, zumindest für das zweite Halbjahr 2002 und auch für das Jahr 2003.
Nach einem Rückgang im BA-CA-Konjunkturindikator - er sank im Juli auf 2,6 (Juni: 2,7) und liegt damit einen halben Prozentpunkt unter dem März-Hoch von 3,1 - nehmen dieBA-CA-Volkswirte ihre Prognosen weiter zurück. Die Enttäuschung über die US-Konjunktur und die Reaktion der Märkte ließen die Weltwirtschaft erneut an den Rand einer Rezession treten. Die Erholungstendenzen in der österreichischen Wirtschaft würden sich damit in den nächsten Monaten nicht fortsezten. Die BA-CA-Experten rechnen für Österreich nach einem schwachen Wachstum 2002 von 1% auch 2003 mit weniger als 2%. Auch eine "Double Dip Rezession", sei möglich. Davon spricht man, wenn zwei Phasen schrumpfender Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft durch eine lediglich kurze Erholungsphase unterbrochen werden. "Das Risiko einer erneuten Rezession in den USA, in Deutschland und damit auch in Österreich ist als hoch zu bezeichnen", so Stefan Bruckbauer von der BA-CA.
Warum die Kurse nicht mehr einbrechen sollten
Die jüngste Prognose des Wirtschaftsforschungsinstitutes (Wifo) für die Entwicklung der Weltwirtschaft bis 2006 geht davon aus, dass die Aktienkurse nicht weiter einbrechen. Das Wifo führt hiefür drei Gründe an: Erstens seien die Aktienkurse gegenüber ihren Höchstwerten vor zwei Jahren bereits so stark gefallen, dass der Wert der Aktiengesellschaften zu laufenden Kursen wieder annähernd ihrem "realen" Gesamtwert entspreche (Realkapital plus Nettofinanzvermögen). Zweitens dürften das äußerst niedrige Zinsniveau und die hohen Anleihenkurse Anleger veranlassen, Finanzvermögen wieder zu den nunmehr viel billigeren Aktien umzuschichten. Drittens werde die Wirtschaftspolitik alle Anstrengungen zu einer "Beruhigung" der Aktienmärkte unternehmen. Eine Fortsetzung der Kursverluste würde nämlich auch die Alterssicherung in jenen Ländern bedrohen, in denen diese schon in erheblichem Maß auf dem Kapitaldeckungsverfahren beruht (z.B. USA). Wenn sich die jüngste Talfahrt an den Börsen nicht fortsetze, werde sie das mittelfristige Wachstum der Weltwirtschaft kaum beeinträchtigen.
Das Wifo habe bereits bei seiner Juni-Prognose auf Risken hingewiesen, die schon damals erkennbar gewesen seien. Seither habe sich aber die Entwicklung in Amerika noch im Juli verschärft. In den USA habe Fed-Chef Alan Greenspan keinen besonderen Spielraum mehr für weitere Zinssenkungen. "In den letzten eineinhalb Jahren hat der Board aber zügig reagiert, es wäre nicht überraschend, wenn er das auch jetzt wieder tut", so Wifo-Chef Kramer. Die europäische Konjunktur hänge an der schleppenden Entwicklung in Deutschland, wo im Wahlkampfjahr wichtige Entscheidungen aufgeschoben worden seien.
Instrument Zinssenkung
Auch das Institut für Höhere Studien (IHS), das Ende Juni noch von positiven Signalen für einen Aufschwung der US-Konjunktur ausgegangen war, sieht diese Aussichten nicht mehr intakt. IHS-Ökonom Christian Helmenstein sprach gegenüber der APA von einem "Zinssenkungsspielraum" in den USA, aber auch in Europa. "Man muss sich fragen, ob die Europäische Zentralbank (EZB) nicht die Zinsen senken sollte, da sich der Euro-Raum deutlich höhere Leitzinsen leistet als die USA, Japan oder die Schweiz", so Helmenstein.