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USA und Indien gründen eigene Klimaagenturen. | "Können uns nicht nur auf den Klimarat der UNO verlassen." | Washington/Wien. Es war eine Sache, die vor zwei Jahren noch gänzlich undenkbar erschien. Damals, unter der Bush-Administration, wurde das Thema Klimawandel vor allem als bedrohliche und unstatthafte Fesselung der US-Wirtschaft verhandelt und entsprechend energisch beiseite geschoben. Doch der versprochene "Change" ist im Bereich der Klimaforschung früher eingetreten als anderswo. Und so werden die USA schon bald über eine eigene Nationale Klima-Agentur verfügen.
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Die neue Einrichtung, die unter dem Dach der National Oceanic and Atmospheric Administration (Noaa) angesiedelt ist, vereint rund 550 Klimawissenschafter unter einer gemeinsamen Führung. Die von ihnen gesammelten Daten und die daraus entwickelten Prognosen sollen der Regierung, der Industrie und dem akademischen Bereich helfen, den Klimawandel und seine Folgen besser zu verstehen. "Wir besitzen hier schon jetzt die größte Datensammlung der Welt", sagte US-Handelsminister Gary Locke bei der Präsentation der neuen Agentur am Montag.
Eine lange Fehlerkette
Dass man mit der Schaffung einer eigenen US-Behörde die Deutungshoheit des UN-Weltklimarats IPCC durchbrechen will, wird offiziell freilich verneint. Zwischen den Zeilen schwingt genau das aber sehr wohl mit. Alle Informationen, von den Rohdaten bis hin zu den Analysen, werden der Öffentlichkeit via Internet zu Verfügung gestellt, sagt Noaa-Chefin Janet Lubcheno. Nicht zuletzt in diesem Bereich war der IPCC wegen mangelnder Transparenz zuletzt in die Kritik geraten. Und auch wenn die Noaa-Verantwortlichen betonen, die neue US-Agentur könne helfen, nach den publik gewordenen Fehlern in den Weltklimaberichten das Vertrauen in die Klimawissenschaften wieder herzustellen, klingt das nicht unbedingt nur nach kollegialer Schützenhilfe.
Mit der Schaffung einer Klima-Agentur sind die USA allerdings nicht alleine. Auch Indien setzt seit Montag auf ein eigenes Expertenteam. "Wir können uns nicht nur auf den IPCC verlassen", sagt der indische Umweltminister Jariam Ramesh .
Anlass für Bedenken hatte der Weltklimarat in den vergangenen Woche zweifellos geliefert: Nach der Affäre an der britischen East-Anglia-Universität, in derren Zuge E-Mails aufgetaucht waren, in denen führende IPCC-Mitarbeiter Tipps gaben, wie man Beiträge unliebsamer Autoren fern halten könne, sorgte vor allem der Bericht über ein stark übertriebenes Abschmelzen der Himalaya-Gletscher für Aufsehen.
Nur kurze Zeit später wurde der Weltklimarat genussvoll von der "Sunday Times" vorgeführt, die enthüllt hatte, dass sich IPCC-Aussagen zur Gletscherschmelze vor allem auf einen Artikel stützten, der in einem Alpin-Magazin erschienen war und sich seinerseits auf Beobachtungen bei Bergtouren bezog. An anderer Stelle wurde aus der Arbeit eines Geographiestudenten zitiert, der Bergführer in den Alpen interviewt hatte.
Bislang letzter Fauxpas der 2007 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten UN-Organisation: Im sogenannten Synthesis Report, also der "Zusammfassung für politische Entscheidungsträger", wird prognostiziert, dass in Afrika bis zum Jahr 2020 zwischen 75 und 250 Millionen Menschen einer erhöhten Wasserknappheit infolge der Erderwärmung ausgesetzt sind. In der Folge könnten in einigen Ländern die Erträge der auf Regenwasser angewiesenen Landwirtschaft um bis zu 50 Prozent sinken, wodurch das Problem der Unterernährung verschärft wird. Die einzige Quelle dafür ist allerdings Ali Agoumi, ein Mitarbeiter des marokkanischen Umweltministeriums, der auch für ein kanadische Firma gearbeitet hat, die ihr Geld mit dem Emissionshandel verdient. Und Agoumi bezieht sich in seiner Analyse, die keinem Überprüfungsprozess unterworfen wurde, auch nicht auf ganz Afrika, sondern nur auf drei Länder in Nordafrika. "Für die Behauptung der Ernte-einbußen gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis", sagt bereits auch Chris Field, einer der neuen Leitautoren des IPCC.
"IPCC ganz auflösen"
In Bedrängnis bringen diese Fehler nicht nur den Weltklimarat als Ganzes, sondern vor allem auch seinen Vorsitzenden Rajendra Pachauri. Der vegetarisch lebende Öko-Ingenieur aus Indien, der vor zwei Jahren noch als Lichtgestalt der Klimaschutzbewegung erschien, hat die Ernterückgänge in entscheidenden Reden immer wieder als Argument für einen entschlossenen Kampf gegen die Erwärmung angeführt. Mittlerweile sieht sich Pachauri mit massiven Rücktrittsforderungen konfrontiert, erst am Dienstag hatten ihn mehrere namhafte deutsche Klimaforscher aufgefordert, "reinen Tisch zu machen".
"Die Verfahren des Weltklimarats sind verbesserungswürdig", sagt auch Ottmar Edenhofer, Vize-Direktor am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". Ein unabhängiges Gremium sollte daher den IPPC auf den Prüfstand stellen. Edenhofer glaubt dabei aber auch an ein gutes Ende, denn letztendlich habe sich der IPCC immer als lernfähig erwiesen. So zuversichtlich sind freilich nicht alle: In "Nature" plädiert der britische Klimatologe Mike Hulme dafür, den IPCC gleich ganz aufzulösen.