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Ab und zu zieht ein schwacher Windhauch über den Sportplatz der Gewerbeschule, die Wirkung ist jedoch alles andere als erfrischend: Bei 40 Grad Außentemperatur hat man den Eindruck, in einem Backofen gefangen zu sein. "Burkina Faso hat eine gemeinsame Grenze mit der Hölle", lautet eine alte Redewendung in dem westafrikanischen Land an der Sahelzone, und tatsächlich klettert das Quecksilber im Mai tagsüber auf bis zu 50 Grad.
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Dessen ungeachtet liefern sich Gewerbeschüler beim Sportunterricht ein Fussballmatch, während nebenan in den Klassenräumen und Werkstätten mit bemerkenswerter Ausdauer gelernt und gearbeitet wird.
Landesweit zählt das "Centre d'Enseignement Technique et de Formation Professionnelle" (CETFP/BB) in der Hauptstadt Ouagadougou zu den führenden Gewerbeschulen von Burkina Faso, zu Deutsch "Land der Integren".
Die 445 Gewerbeschüler zählende Lehrstätte hat einen direkten Bezug zu Österreich: Sie ist benannt nach Bruno Buchwieser, der den älteren Österreichern als treibende Kraft beim Wiederaufbau des kriegszerstörten Stephansdomes in Erinnerung geblieben ist. Der mittlerweile verstorbene Präsident der Jungarbeiterbewegung hatte in den späten 1960er Jahren Obervolta, wie Burkina Faso früher hiess, mehrfach besucht und sich mit dem Jugendseelsorger und späteren Bischof Denis Tapsoba angefreundet.
Aus dieser Freundschaft entwickelte sich eine enge Zusammenarbeit zwischen beiden Staaten. Zur beruflichen Bildung kamen später Schritte zur Alphabetisierung, ländliche Entwicklung, Ressourcenschutz sowie die Kooperation mit Handwerksverbänden hinzu. Grosses Gewicht wird einer grundlegenden Reform der nationalen Berufsbildung und der Stärkung von Handwerksinnungen beigemessen. Von Wien eingerichtete Fonds erlauben Handwerkerverbänden leichteren Zugang zu Krediten, außerdem unterstützt man sie bei Fragen der Geschäftsführung und der Weiterbildung.
Österreich stockt Hilfe auf
Zum Auftakt der Kooperation hatte die österreichische Regierung Jugendliche aus Burkina zur beruflichen Bildung nach Österreich eingeladen, seit 1970 besass das westafrikanische Land ein eigenes Berufsbildungszentrum, das später nach Buchwieser benannte CETFP. Am "Centre Austro-Burkinabé", wie die Lehrstätte üblicherweise genannt wurde, bildet man vor allem Maschinenbauer, Elektroniker und Elektrotechniker aus. Seit 1995 befindet sie sich in staatlicher Trägerschaft.
Damals unterzeichneten Österreich und Burkina Faso ein bilaterales Abkommen für die Bereiche technisches Unterrichtswesen und Berufsbildung, dieser Tage ist der Vertrag in Wien von Vertretern beider Regierungen um weitere drei Jahre verlängert worden. Beim Ausbau dieser Sektoren unterstützt Wien das Land mit 13 Mio. Euro, im Vergleich zum abgelaufenen Drei-Jahres-Budget bedeutet dies eine Steigerung von 30 Prozent. Und damit hat sich Österreich als Entwicklungshelfer im Bildungsbereich als Hauptsponsor profiliert. Das Bruno-Buchwieser-Zentrum ist dabei nur eine von zwölf staatlichen und privaten Berufsbildungsschulen, die Österreich gezielt fördert. Seit Ende der 80er Jahre trainiert Wien zudem technische Lehrer sowohl in ihrer Heimat als auch im Mödlinger Institut für Berufsbildung, das vierjährige Qualifikationskurse anbietet.
Windé Issa Gandema, Leiter des Bruno-Buchwieser-Zentrums, sieht dabei in der "Verankerung der Praxis in der Berufsbildung" und der verstärkten Orientierung an den "wirklichen Bedürfnissen der Handwerksbetriebe und des Arbeitsmarktes" den wichtigsten Beitrag Österreichs.
Allerdings lässt sich der Arbeitsmarkt von Burkina Faso, wo über 80 Prozent der Bevölkerung von Landwirtschaft und Viehzucht leben, nur bedingt mit europäischen Verhältnissen vergleichen.
Die anhaltende wirtschaftliche Talfahrt hat vor allem in der Textilbranche zur Schliessung zahlreicher Betriebe geführt, "im vergleichweise kleinen Industriesektor werden kaum Arbeitsplätze angeboten, auch gut qualifizierte Fachkräfte gehen leer aus", klagt Issa Gandema in seinem heruntergekühlten, abgedunkelten Büro. Bessere Chancen biete der austrebende Informatik-Sektor, die Wartungs- und Reparaturbranche sowie Logistik- und Verkehrsbereich.
Trotz der wenig ermutigenden Job-Situation wirken die Gewerbeschülerinnen und Schüler am Buchwieser-Zentrum optimistisch: Zwei 17jährige Mädchen, die in der Schreinerei-Werkstatt den Bau von Sitzmöbeln erlernen, sehen Chancen, in kleinen Handwerksbetrieben ihrer Verwandtschaft unterzukommen. Und ein angehender Mechaniker träumt von einer Ein-Mann-Reparatur-Werkstatt für Mopeds.
Frauen verstärkt im Blickfeld
Für die Gewerbeschülerinnen des Technischen Mädchengymnasiums in Ougadougou ist der Sprung in die Selbständigkeit sogar die einzige Möglichkeit, jemals Geld zu erwirtschaften. An der Spitze dieser auf Textilberufe spezialisierten Lehrstätte steht Madame Rabiatou Ouedraogo, die in der "Selbstbeschäftigung" den einzigen Ausweg für die Absolventinnen sieht. Diplomierte Schneiderinnen können sich nach dem Abschluss Nähmaschinen des Collège kaufen oder mieten und ihr Gewerbe in einigen zur Verfügung gestellten Räumen aufnehmen.
Künftig wird Wien die Frauenförderung noch stärker gewichten; Frauen sollen systematischer Zugang zur Berufsbildung erhalten und diese auch abschliessen können. Denn oft würden Eltern ihre Töchter ungerührt von den Schulen nehmen, um sie zu verheiraten, berichtet Barbara Konzet vom österreichischen Kooperationsbüro. Um die Last für die Familie zu verringern, gewährt das Büro daher finanzielle Hilfe beim Erwerb von Lehrmaterial und bei den Fahrtkosten. Mit diesen kleinen Beiträgen, so Barbara Konzet, "gelingt es oft, die Unabhängigkeit von Frauen zu fördern".
Wissen
Das westafrikanische Binnenland ist flächenmäßig dreieinhalbmal so groß ist wie Österreich und zählt 10,6 Millionen Einwohner. Mit einem jährlichen Bruttosozialprodukt von 250 US-Dollar pro Einwohner zählt Burkina Faso zu den ärmsten Ländern der Welt. Hauptexportprodukte sind Baumwolle und Nahrungsmittel. Die Analphabetenrate liegt bei 80 Prozent. Staatsoberhaupt ist seit 1987 Blaise Compaoré, dessen Partei CDP seit im Parlament die absolute Mehrheit hält. Der Präsident wird per Direktwahl bestimmt. Das Land gilt im afrikanischen Vergleich als relativ demokratisch, seit 1991 hat es eine Verfassung. Die ehemalige französische Kolonie erlangte 1960 die Unabhängigkeit.