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Die Erlöser lassen aus

Von Walter Hämmerle

Analysen
© Hämmerle

Angesichts der Erwartungen können die Jungen an der Politik nur scheitern.


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Wien. Ach, Jugend und Politik: Dazu scheint jeder eine Meinung zu besitzen. Nur, dass es sich dabei um eine für unsere Demokratie ganz besondere, fast sakrale Beziehung handelt, das jedenfalls scheint von allen unbestritten.

Angesichts dieses hochgesteckten Anspruchs können die etablierten Parteien - und damit sind für einmal alle gemeint, die es ins Parlament schaffen - mit ihren diversen Jugendabteilungen nur enttäuschen. Wobei allerdings nicht an jede Partei der gleiche Maßstab angelegt wird: Von den politisierenden Jugendverbänden von ÖVP oder FPÖ und wohl auch Neos erwartet sich niemand wirklich Aufrufe zur Umwälzung der bestehenden Verhältnisse.

Bei SPÖ und Grünen liegt die Latte da schon höher, und weil das schon auch mit einem gewissen Leidensdruck für die Altvorderen verbunden sein kann, haben sich etwa die Roten für eine Zwei-Firmen-Strategie bei der Nachwuchspflege entschieden: eine pflegeleichte in Form der Jungen Generation (JG) sowie eine aufmüpfige, kämpferische in Gestalt der Sozialistischen Jugend. Keine Frage, welche Truppe die höhere öffentliche Aufmerksamkeit genießt: die kämpferische. Dafür haben die Braven die besseren Karriereaussichten.

Zwei Thesen über die Jungen

Was nun, abgesehen von den parteinahen Kadern, das allgemeinere Verhältnis angeht, so wollen uns, einerseits, diverse Studien, etwa von Shell für Deutschland und GfK für Österreich, weismachen, dass das Interesse der Jungen an den politischen Zuständen nach diversen Tiefpunkten im ersten Jahrzehnt des Jahrtausends nun wieder zunimmt. Andererseits gibt es Jugendforscher, etwa Bernhard Heinzlmaier, die vom Gegenteil überzeugt sind.

In einem Dossier zu "Jugend und Politik" von 2016 schreibt er: "Das Vertrauen in die Politik erodiert. Sie wird von vielen Jugendlichen als Vorderbühne eines Machtspiels gesehen, in deren Hintergrund außerhalb des demokratischen Systems angesiedelte Machtgruppen die Fäden ziehen und das rhetorisch pompös inszenierte Allgemeininteresse der politischen Eliten wird als geschickte Verhüllung des tatsächlich handlungsmotivierenden Egointeresses interpretiert."

Von hier zur unsichtbaren Hand des unter Allgegenwartverdachts stehenden Neoliberalismus ist es dann natürlich nur noch ein kleiner Schritt. Wobei Heinzlmaier das Misstrauen der Jugend nicht rein auf die Politik beschränkt wissen will, sondern auch auf die Glaubwürdigkeit von Unternehmen, Interessenvertretungen und Medien bezieht.

Heinzlmaiers Beschreibung
der jugendlichen Politik-Enttäuschung ist aber noch aus einem weiteren Grund bemerkenswert: Sie lässt sich offenbar auch gegen die Jungen selbst verwenden.

Im Konflikt zwischen der Grünen Bundespartei und den Jungen Grünen um die Unterstützung einer Gegenkandidatur zur offiziellen Grünen Studentenorganisation, der nun mit einer unfreundlichen Trennung geendet hat, ist genau das geschehen. Michel Reimon, der für die Grünen im EU-Parlament sitzt, hat einer "Grazer Zelle" der Jungen Grünen in einem Facebook-Eintrag vom 24. März eine Politik der Egointeressen auf Kosten der Allgemeininteressen vorgeworfen. Wörtlich formuliert es Reimon so: "Man hört in Wien viele Geschichten darüber, wie Kurz (Sebastian; Anm.) aus der JVP eine Karriereschmiede gemacht hat (. . .) Dabei nehmen er und seine Leute keine Rücksicht auf ihr Umfeld und räumen aus dem Weg, wer stört. Wer so Karriere macht, macht später auch so Politik. Ich habe in den letzten Wochen gelernt, dass keine Partei frei davon ist, dass genau diese Methode auch bei ihr versucht wird. (. . .) Die Spitze des Eisbergs war der direkte Angriff der Jungen Grünen auf unsere Bundessprecherin."

Ausgebootet von den Alten

So gesehen haben die Jungen tatsächlich ein Problem: Sie können es nämlich nie recht (besser: richtig) machen. Entweder sie vereinzeln sich unter dem Druck und der Anleitung des Neoliberalismus zu lauter kleinen Ich-AGs und lassen das Gemeinwohl eine schöne Sache sein. Oder aber sie schließen sich zum Zwecke der strukturverändernden Machteroberung zu Gruppen zusammen, nur sind sie dann gerade wieder das, was die Jugend doch bitte lieber nicht, jedenfalls nicht jetzt schon, sein soll: versessen auf Posten und Einfluss.

Und überhaupt ist es ja ohnehin so, dass sich in unserer Zeit die Lust am Sticheln, Widerreden und Revoluzzern - jedenfalls in der Politik - von den Jungen zu den Alten verschoben hat. Noch kritischer als Erhard Busek, Hannes Androsch, Johannes Voggenhuber und Co können die Jungen eigentlich gar nicht sein.

Es stimmt schon: Politik gestaltet Zukunft, oder sollte es zumindest versuchen, und die Jungen sind davon am stärksten betroffen. Aber retten werden sie die Politik nicht.