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"Die Ermutigung fehlt"

Von Christa Karas

Wissen

Die Grazerin Andrea Hickel, 36, zählt zur Elite, also jener handverlesenen Gruppe von Forscherinnen, die es in Österreich gibt und die internationales Ansehen genießen. Seit 1999 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Biophysik und Rötgenstrukturforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) in Graz. Und ihre Publikationsliste ist beeindruckend, obwohl die Biophysikerin "lieber in der Praxis als am PC tätig" ist, wie sie sagt. Den mit der Forschungskarriere fast unkomatiblen Wunsch nach einer eigenen Familie hat sie sich dennoch erfüllt und wurde vor kurzem Mutter.


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Sind Frauen in der Wissenschaft tatsächlich benachteiligt? Andrea Hickel, die 1996 im Fach Chemie an der TU Graz promovierte, erläutert dies sehr differenziert. Nein, während des Studiums - mit einem Anteil von gut 50 Prozent weiblichen Studierenden - seien für sie keine Unterschiede wahrnehmbar gewesen, sehr wohl aber später: "Frauen werden nicht genug ermutigt, sie erhalten keine aktive Unterstützung, aber stattdessen zu viele Hinweise auf die Unvereinbarkeit von Forschung und Familie. Es gibt so gut wie keine Vorbilder, keine Förderung des Selbstbewusstseins und keine Assistentenstellen für Frauen."

Die Statistik bestätigt dies. So lag der Frauenanteil an der Universität Wien im Jahr 2001 bei Naturwissenschaften und Medizin unter den Assistenten zusammen bei 35 Prozent, unter den Habilitierten bei 19 Prozent und unter den Professoren lediglich bei sechs Prozent.

Umso wichtiger war für Hickel ein Erwin Schrödinger-Auslandsstipendium, das es ihr ermöglichte, nach dem Studium zwei Jahre am Department of Chemical Engeneering der Universität von Berkeley (USA) mit biophysikalischen Methoden relevante Untersuchungen an Enzymen durchzuführen.

Einen weiteren Meilenstein stellte dann im Jahr 2002 ein UNESCO-L´Oreal Stipendium "For Women in Science" dar, das Hickel als erste österreichische Wissenschafterin für ihre herausragende Arbeit im Bereich der Biowissenschaften erhielt. Zu diesem Zeitpunkt erforschte sie bereits eine völlig neue Methode zur Bekämpfung von Bakterien, die sie dank des Stipendiums an der Universität Oxford fortsetzen konnte.

Das Thema ist nach wie vor brandaktuell und Hickl hoch motiviert. Es geht um nicht weniger als die Entwicklung gänzlich neuer Antibiotika, die im Gegensatz zu den herkömmlichen die gesamte Zellmembran eines Bakteriums angreifen. Sie basieren auf sogenannten Abwehrpeptiden, die imstande sind, Bakterien binnen weniger Minuten zu zerstören. Da es dabei zu keiner Bindung an spezifische Rezeptoren kommt, ist die Bildung resistenter Keime unwahrscheinlich. Ein weiterer bedeutender Vorteil: Peptide dieser Art können zwischen körpereigenen (humanen) und bakteriellen Zellen unterscheiden, sie können also sehr gezielt eingesetzt werden.

Allerdings: Bis es soweit ist, bedarf es eines fundierten Verständnisses über die Verschiedenartigkeit der Zellmembranen. Die Aufklärung der molekularen Vorgänge hat Vorrang.

Zum anderen braucht es ein gesichertes Wissen über die Peptide und ihre Wirkweise, da diese keinem allgemeinen Mechanismus unterliegen, sondern die Forscherin mit einem "völlig ungeordnete Muster der Aminosäuren" konfrontieren. Das heißt, dass sich Hickel derzeit vor allem auf die Grundlagenforschung an den Zellmembranen bzw. den Lipiden aus den Membranen konzentriert. In der Folge geht es darum, die antimikrobiellen Peptide gezielt so zu verändern, dass sie die gewünschte Spezifität und Wirkung erzielen, aber auch darum, in welcher Form sie als Arzneimittel gegeben werden können, haben sie doch den biologischen Nachteil, dass sie rasch abgebaut werden.

Verständlich, dass sich Hickel nicht- wie oft üblich - "in die Lehre abschieben lassen" will, sondern eine Forschungsposition mit Entscheidungsfähigkeit anstrebt, die auch ein Familieleben zulässt. Derzeit geht es ihr an der ÖAW und privat sehr gut, die Habilitation ist für sie ein mittelfristiges Ziel, das Erlernen neuer Methoden indessen ein permanentes, "weil es viel Spaß macht".