Drei Trends, die 2021 überdauern werden.
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Kaum etwas ist zugleich so grundlegend und doch problematisch wie die Ernährung: Immer mehr Menschen werden real oder gefühlt krank von Lebensmitteln, haben Angst davor, essen zu wenig oder zu viel. Es zählt nicht mehr nur der Bezug zur eigenen Gesundheit, sondern es geht auch um die Folgen des Lebensmittelkonsums. Ernährungstrends stehen in enger Wechselwirkung mit soziokulturellen und wirtschaftlichen Entwicklungen - und dadurch auch unter dem Einfluss der aktuellen Corona-Krise. Besonders aus den Beobachtungen des Lebensmittelmarktes während des vergangenen Krisenjahres lassen sich drei langfristige Entwicklungen schließen.
1. "Flexitarier" treiben die Nachfrage nach pflanzlichen Produkten
Fleisch wird durch Skandale und Umweltaspekte immer mehr zum Problemthema. Die Ernährung ist bekanntlich der Klimakiller Nummer eins: Die Weltbevölkerung wächst stetig, während die Ressourcen und das Konsumverhalten wenig nachhaltig sind. Insbesondere das Wachstum der Mittelschicht, die sich den Verzehr von Fleisch nun leisten kann, belastet die Umwelt - nicht nur die Soja- und Getreideproduktion zur Herstellung von Tierfutter rückt immer mehr in die öffentliche Debatte, sondern auch Themen wie Überweidung, Überfischung, Waldschädigung und Treibhausgase. Veganer sind auch in Österreich keine Randgruppe mehr. Eine Hochrechnung kommt auf eine geschätzte Anzahl von etwa 80.000 Veganern, 765.000 Vegetariern und 4,2 Millionen "Flexitariern" - also Menschen, die den Konsum von Fleisch oder Milchprodukten aus unterschiedlichsten Gründen reduzieren.
Die Corona-Krise erweist sich dem Marktforschungsinstitut Nielsen zufolge sogar als Katalysator. So wuchsen im deutschen Lebensmittelhandel die Umsätze mit vegetarischen Produkten während der Pandemie im vergangenen Jahr um 39 Prozent, jene mit veganen Produkten sogar um 59 Prozent, während das Nicht-Veggie-Angebot ein Plus von "nur" 15 Prozent verzeichnete. Konzerne wie Unilever haben sich darauf eingestellt und ihre Umsatzziele für pflanzliche Produkte erhöht. Pure-Player wie Beyond Meat, Else Nutrition oder The Very Good Company genießen allerdings mehr Verbrauchervertrauen und werden daher am meisten profitieren. Der extreme Börsenerfolg von Beyond Meat markierte erst den Anfang einer langen Rally in diese Richtung.
2. Snackification" wird die Pandemie überdauern
Auch der Wandel von einer traditionellen zu einer modernen Esskultur ohne strikte Abläufe ist nicht neu. Vor allem Vertreter der urbanen und mobilen Mittelklasse haben damit das Ende der klassischen drei Mahlzeiten pro Tag, wie sie früher üblich waren, eingeläutet und legen ein immer flexibleres, spontaneres und individuelleres Essverhalten an den Tag. Diese Entwicklung wurde durch den Lockdown abrupt unterbrochen. In der häuslichen Quarantäne gewannen die traditionellen Mahlzeiten wieder ihre alte, strukturgebende Funktion. Eine Rückkehr ins kulinarische Biedermeier und eine Renaissance der Drei-Gang-Menüs im Alltag ist aber trotzdem unrealistisch. Ich bin überzeugt, dass der Trend weiterhin in Richtung Mini-Mahlzeiten, die individuell kombiniert werden, geht. Wir orientieren uns in der Produktentwicklung immer an den Kriterien gesund, schnell und einfach - das eine darf das andere nicht mehr ausschließen.
3. Du bist, was du (nicht) isst
Stay-at-home und Lockdown führten zwangläufig auch zu mehr Do-it-yourself in der eigenen Küche und zum Anbau von Kräutern, Salaten und Gemüsen auf Balkonen, Fensterbänken sowie in Gärten. Das ist freilich keine reine Pandemieerscheinung, sondern es waren bereits vor Jahren die jungen Großstädter, die das Garteln im urbanen Raum für sich entdeckt haben. Fotos von selbst zu bereitetem Essen füllen die Social-Media-Kanäle, um der Krise auch symbolisch zu trotzen und das Banner des Genießens hochzuhalten. Die Smartphone-Kamera präsentiert die Homemade-Snacks in bestem Licht, sodass sie, garniert mit Erdbeer-Emoji, auf Instagram oder Tik Tok eine satte "Like"-Ernte einfahren. Auch Rezeptaustauschbörsen und Online-Kochanleitungen werden abseits der Foodie-Szene verstärkt genutzt. Ernährung wird immer mehr zum Selbstverwirklichungstool und dient zur Selbsterfahrung und Selbstdarstellung. Was man isst, sagt künftig genauso viel über den Menschen aus wie das, was man nicht (mehr) isst.