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Die Gesamtschule darf also im Westen Österreichs nicht eingeführt werden, weil sie nicht im Regierungsübereinkommen steht - soweit die Argumentation von Vizekanzler und ÖVP-Obmann Michael Spindelegger. Das ist eine doch recht interessante Interpretation. Etwas nicht zu tun, weil es nicht vorgesehen ist, zeugt nicht gerade von großer Flexibilität. Es ist zu hoffen, dass der Satz nicht zum Leitspruch wird, denn im Arbeitspapier von SPÖ und ÖVP steht vieles nicht explizit drinnen.
Der Satz darf als bloße Ausrede gewertet werden, um innerhalb der Volkspartei die bildungspolitischen Gräben wieder zuzuschütten. Ob das gelingt, muss stark bezweifelt werden. Die westösterreichischen Landesorganisationen der ÖVP sind ohnehin schon verärgert, weil sie eher schwach im Regierungsteam vertreten sind. Jede zusätzliche Zurückweisung wird diesen Ärger verstärken. Da die Landesorganisationen der ÖVP aber traditionell stärker sind als die Bundespartei, ist heute schon klar, wie der Machtkampf endet. Vorarlberg, Tirol und Salzburg werden ihre Gesamtschul-Modelle bekommen, allenfalls lässt man sich dafür eine neue Wortkreation einfallen.
Das Geplänkel zeigte aber, dass in der Volkspartei das Bildungsthema nach wie vor dogmatisch diskutiert wird - das Gegenteil davon wäre angebracht. Die Partei tut sich politisch damit keinen Gefallen, denn im Westen sind die Grünen Koalitionspartner der ÖVP, und denen wird die ÖVP-Weisung aus Wien kaum gefallen.
Nun steht zwar auch nicht im Regierungsübereinkommen von SPÖ und ÖVP, dass man besonders mitfühlend miteinander umgehen soll, die Sozialdemokraten machen dies bei dem Thema trotzdem. Kein böses Wort war aus der SPÖ zu hören, obwohl auch dort der Grimm steigt. Denn mit seinem Satz setzte Spindelegger die SPÖ neben sich auf die bildungspolitische Verhinderungsbank. In der SPÖ-Wählerschaft wird dies wenig Begeisterung auslösen.
Bei der Regierungsklausur kommende Woche sollten sich daher beide Seiten trauen, das gemeinsame Arbeitspapier etwas großzügiger auszulegen. Heinz Fischer forderte in seiner Neujahrsansprache, dieser Koalition doch eine Chance zu geben. Der Satz, was nicht drinsteht, gibt es nicht, bietet aber keinerlei Anreiz, dem Wunsch des Herrn Bundespräsidenten nachzukommen.