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Die erste Frischzellenkur für das Super-Mailüfterl

Von Maike Seidenberger

Wissen
Obwohl die vielen Kabeln anderes vermuten lassen, ist der neue Hochleistungsrechner energieeffizient. Foto: Uni Wien

Rechenleistung für heimische Wissenschaft wird nun vervierfacht. | Hochtechnologie- Forschung benötigt immer stärkere Computer. | Anwendungen in Physik und Medizin. | Wien. Wegen akuter Überlastung bekommt Österreichs schnellster Rechner, der VSC-1, einen stärkeren Bruder. Der von der Universität Wien, der Technischen Universität (TU) Wien und der Wiener Universität für Bodenkultur (Boku) erst im Jahr 2009 in Betrieb genommene "Vienna Scientific Cluster" (VSC) wird nun in den kommenden Monaten um 4,2 Millionen Euro ausgebaut.


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Das Nachfolgemodell des Supercomputers, der VSC-2, soll ab Mai im Wiener Arsenal stehen. Mit seinen 150 Teraflops soll er bis zu 150 Billionen (in Zahlen: 150.000.000.000.000) Rechenoperationen pro Sekunde schaffen. Damit ist er vier Mal so potent wie sein älterer Bruder, der allerdings weiterhin in Betrieb bleibt.

Was bedeutet das? "Wir kommen dann ungefähr auf Platz 70 im internationalen Ranking der Top-500-Supercomputer," erläutert Herbert Spöri, Vorstand des Instituts für Angewandte Physik der TU und Projektleiter des Vienna Scientific Cluster.

Computer-Simulationen

Rund 70 Forschungsprojekte warten bereits auf das neue Super-Mailüfterl (Spitzname für den ersten Computer auf der Basis von Transistoren, gebaut 1955). "Der VSC-2 ermöglicht eine neue Qualität der Computer-Simulationen, die in vielen Disziplinen ein unverzichtbares Forschungsinstrument sind", freuen sich Vizerektor Heinz Engl von der Uni Wien und Vizerektorin Sabine Seidler von der TU Wien. Etwa ermöglichen Computer-Simulationen Forschung an den kleinsten Teilchen, die mit freiem Auge nicht erkennbar sind. Oder sie sind unverzichtbar für die Forschung dort, wo Menschen nicht hinkommen - etwa in ferne Galaxien.

Die Bandbreite der anstehenden Projekte ist also gewaltig. Hydrologen errechnen mit den Supercomputern die Ausbreitung von Verunreinigungen im Grundwasser. Materialphysiker simulieren die Eigenschaften potenzieller neuer Werkstoffe - von Nano-Materialien für die Halbleiter-Industrie bis hin zu besonders schonend einheilenden Knochenimplantaten in der Medizin. Astrophysiker simulieren Sterne, Gravitations- und Teilchenphysiker superheiße Materie-Zustände kurz nach dem Urknall. Auch Forscher der Medizin-Unis sollen an den Supercomputern arbeiten dürfen. "Bioinformatik und Genetik sind stark im Kommen - etwa bei der Konstruktion von Vererbungsbäumen aus Genomen, oder bei Molekül-Simulation von Proteinen", nennt Spöri zwei Beispiele, in denen die medizinische Forschung nicht ohne Hochleistungsrechner auskommen würde.

Neben der Rechenleistung war Umweltschutz bei der Wahl des Gerätes ausschlaggebend. Durch energiesparende Prozessoren und ein effizientes Kühlsystem verbraucht der VSC-2 bei vierfacher Leistung nur doppelt so viel Strom wie der VSC-1. Die Neuanschaffung kann auch heiße Sommer deutlich grüner abwettern: Sie braucht nur 18 Grad kaltes Wasser für die Kühlung, während ältere Supercomputer auf sechs Grad gekühltes Wasser benötigen.

12 Millionen Sonderbudget

Liefern wird den VSC-2 die Computercluster-Firma Megware Computer aus dem deutschen Chemnitz. Die Kosten von 4,2 Millionen Euro übernehmen je zur Hälfte die Uni und TU Wien. Die Boku beteiligt sich an den Personalkosten. Finanziert wird die VSC-Infrastruktur im Rahmen einer mehrjährigen Leistungsvereinbarung zwischen dem Wissenschaftsministerium und den drei Betreiber-Unis aus einem mit insgesamt 12 Millionen Euro dotierten Sonderbudget.

Doch dabei wird es nicht bleiben. Ende 2012 werden die UniForscher einen weiteren Hochleistungsrechner anschaffen. "Man muss in der internationalen Konkurrenz dabei bleiben", betont Spöri. Denn die Superrechner altern schnell: In der Besten-Liste, die zweimal im Jahr von der Lawrence Berkeley National Laboratory in Kalifornien, der University of Tennessee in Knoxville und der Universität Mannheim erstellt wird, rangiert der VSC-1 nur mehr auf Platz 354. Bei seinem Start gehörte er zu den besten 200 Supercomputern.

Das Stückwerk bei der Beschaffung erklärt Spöri mit dem rasanten technischen Fortschritt: "Es wäre nicht schlau, alles Geld auf einmal in eine Monstermaschine zu stecken." Zumal auch die Energieeffizienz ständig steigt. Die derzeit leistungsstärkste Computerbank steht in Tianjin in China und heißt Tianhe-1A, übersetzt "Milchstraße". Nicht nur in technischer, sondern auch in poetischer Hinsicht hinken die Wiener Forscher mit ihrem VSC-2 also doch noch nach: Spitznamen hat der neue Supercomputer nämlich noch keinen.