Interview mit Nasser Keykhaei, Geschäftsträger des Iran in Wien
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Verstärkte Polizeipräsenz im ganzen Land, verlangsamtes Internet und strenge Sicherheitsvorkehrungen: Am heutigen Freitag findet im Iran die zweite Runde der neunten Parlamentswahlen statt. 65 der 290 Plätze im Majles (Parlament) sind noch zu besetzen.
Auch wenn sich bei der ersten Runde des Urnengangs schon herauskristallisiert hat, dass die Gruppierung der Prinzipientreuen rund um den amtierenden Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad eine bittere Niederlage einstecken musste und dieser Trend bei der Stichwahl wahrscheinlich bestätigt wird, sind die Wahlen von großer Bedeutung.
Die dem obersten Führer Ali Khamenei nahestehende Partei der Prinzipalisten (Neokonservative) hat ihre Vormachtstellung im Majles ausgebaut und wird Ahmadinejad seine restliche Amtszeit bis 2013 sicher nicht einfach machen. Denn es stehen große Fragen wie das neue Budget oder die Bewältigung der Krise wegen der westlichen Sanktionen auf der Tagesordnung. Das Zugpferd der Neokonservativen, Parlamentspräsident und Ahmadinejad-Widersacher Ali Larijani, konnte in seinem Wahlbezirk Ghom einen fulminanten Wahlsieg erringen und somit seine Position stärken.
Die Parlamentswahl ist der erste große Wahlgang seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen 2009, bei denen Ahmadinejad nach offizieller Darstellung wiedergewählt wurde. Danach erlebte der Iran wochenlange Proteste, die von der Führung gewaltsam niedergeschlagen wurden. Detail am Rande: Geht es nach Khamenei, soll schon bald das Parlament und nicht mehr das Volk den Präsidenten wählen. Ein entsprechender Verfassungsentwurf soll noch heuer diskutiert werden.
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"Wiener Zeitung": Die Sanktionen treffen den Iran offenbar mehr, als die Führung dachte. Der Druck auf das Volk ist enorm gestiegen. So haben die Imame der Freitagsgebete in Schiraz, Mashhad und Isfahan die Regierung gemahnt, sie müsse unverzüglich eine Lösung für die Teuerungswelle finden, weil die Perser ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen können.Dr. Nasser Keykhaei: Die westlichen Sanktionen gegen uns treffen in erster Linie den Westen selbst, da der Rückgang der iranischen Ölexporte nach Europa, sowie das Verbot für die Einfuhr von Produkten an die 75 Millionen Iraner die Arbeitslosigkeit tausender Menschen in ganz Europa zur Folge haben wird. Andererseits wird dadurch der asiatische Markt wachsen, denn unser Handelsvolumen mit asiatischen Ländern hat in den vergangenen Jahren einen rasanten Anstieg erfahren.
Was tut Ihre Regierung zur Kompensation der Sanktionen?
Noch bevor sich die Sanktionen auf die wirtschaftliche Lage im Land auswirken konnten, wurde die Reform des Subventionssystems eingeleitet. Die Wirtschaftsreformen, die beim 20-Jahresplan und im Fünf-Jahresprogramm bestimmt wurden, dienen der Regulierung der Preise. Demnächst wird es zu einem Anstieg der Energiekosten und Preise für manche Produkte kommen. Wir haben hier agiert und der Gerechtigkeit halber finanzielle Preisunterschiede direkt auf die Konten der Bürger überwiesen.
Trotzdem haben einige Menschen große Probleme, ihre monatlichen Zahlungen zu tätigen.
Natürlich kann es auf dem Weg der Preisstabilisierung zu einer instabilen Lage kommen. Doch durch entsprechende Gegenmaßnahmen sind wir bemüht, diese Unannehmlichkeiten für unsere Mitbürger auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Auf jeden Fall muss der Weg in Richtung Entwicklung und Reformen gehen.
Die erste Runde der neunten Parlamentswahlen waren für Präsident Mahmoud Ahmadinejad eine herbe Niederlage. Wird er es den Rest seiner Amtszeit nicht schwer haben, bei vielen Problemen wie dem Haushaltsdefizit oder der Subventionsfrage usw. gegen seine erstarkten Widersacher im Parlament regieren zu müssen?
Die Wahlen am 2. März waren für Ahmadinejad ein Sieg. Die Wahlbeteiligung war mit 64,2 Prozent eindrucksvoll und überwältigend - und dies trotz der dreisten Propaganda einiger westlicher Medien. Statistiken zufolge sind bei den achten Parlamentswahlen nur 51 Prozent der Wahlberechtigten an die Urnen gegangen. Das bedeutet einen beachtlichen Anstieg von 13 Prozent. Hingegen können Sie sehen, dass die Wahlbeteiligung bei ähnlichen Wahlgängen in manch europäischen Ländern oder auch bei der Wahl zum Europaparlament oft weniger als 50 Prozent beträgt.
Dennoch hat uns die jüngste Vergangenheit gezeigt, dass das Parlament und der Präsident keine Gelegenheit auslassen, um sich verbal zu bekriegen.
Wenn das iranische Parlament und der Präsident einer Meinung sind, so wird dies von westlichen Kommentatoren als diktatorisch bezeichnet. Wenn sie aber zwei verschiedene Meinungen haben und gegeneinander sprechen, ist von einem Chaos die Rede. Wir wollen, dass die Meinung des Westens über den Iran mit der Wahrheit übereinstimmt.