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Agrarbudget seit heuer nicht mehr größter Topf innerhalb der EU. | Fördersystem steht ab 2014 auf neuen Beinen. | Wachsende Sorge, dass heimische Strukturen unter die Räder kommen. | Wien. Die neu aufgekochte Diskussion darüber, wie zielgerichtet oder fehlgeleitet die Förderungen in der Landwirtschaft sind, führt unweigerlich weiter zur kulturpessimistischen Debatte des sogenannten "Bauernsterben". Sachbuchautor Hans Weiss behauptet im "Schwarzbuch Landwirtschaft", der EU-Beitritt habe daran nichts Wesentliches verändert (die 'Wiener Zeitung' berichtete Hätten davor im Schnitt 13 Bauern pro Jahr ihren Hof aufgegeben, so seien es nunmehr 12. | Ein Land der Berg- und Biobauern
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Fakt ist: Schon mit der Industrialisierung begann die Abwanderung aus dem ländlichen Raum. Um 1900 waren noch 34 Prozent der österreichischen Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig, 1950 waren es 22 Prozent. Heute sind es um die 3 Prozent. "Dieser Strukturwandel ist durch den EU-Beitritt gebremst worden. Ohne EU gäbe es noch weniger Bauern", so Josef Siffert von der Landwirtschaftskammer Österreich.
2010 fördert die Union ihre Bauern mit 53 Milliarden
Der Grund liegt auf der Hand: Geld. Zum einen sind das noch Subventionen, um die Agrarwirtschaft der EU nach außen zu verteidigen - landwirtschaftliche Güter sind im Welthandel zumeist billiger. Zum andern wird mit Prämien abgegolten, dass keine Überproduktion mehr stattfindet.
Immer häufiger aber sind das Ausgleichszahlungen für Mehrleistungen - dafür, dass ökologisch sinnvoll gedüngt wird oder unwegsame Flächen am Berghang genauso gepflegt werden wie das ebene Ackerland. Die Zeiten, in denen die Agrarförderungen der EU mehr als die Hälfte des Gesamtbudgets ausmachten, die sind aber vorbei. Das EU-Budget beträgt für 2010 rund 123 Milliarden Euro. Für die Landwirtschaft sind 53 Milliarden vorgesehen. Seit heuer ist das Agrarbudget nicht mehr der größte Brocken: 2010 wurde es erstmals überholt - vom ständig steigenden Regionalbudget, das mit 54,2 Milliarden gesponsert wird. Und der Agrartopf ist unter Druck.
Das EU-Fördermodell für Landwirte besteht derzeit aus zwei Säulen. Die erste Säule - die Direktzahlungen - wird komplett von der EU finanziert. Rund 40 Milliarden Euro werden als Betriebsprämien ausgeschüttet.
Die zweite Säule macht nur ein Viertel des Budgets aus - rund 10 Milliarden werden unter dem Titel der 'Ländlichen Entwicklung' an die Mitgliedsländer verteilt
Das Agrarbudget hat, wie das gesamte EU-Budget, eine Laufzeit von sieben Jahren. Mit Ende 2013 wird ein neues Programm in Kraft gesetzt. Doch da wird es nicht nur um das Ausmaß der Gelder gehen - sondern auch um die neuen Schwerpunkte und das Wie und Wofür der Auszahlung.
"Ich habe die starke Befürchtung, dass die finanzielle Ausstattung der Agrarpolitik unter Druck kommt", meint August Astl, Generalsekretär der österreichischen Landwirtschaftskammer. "Es gilt als sicher, dass die Struktur der Betriebsprämie verändert wird. Zumindest soll das historische Modell, das in Österreich gilt, abgeschafft werden." Nachdem die EU-Förderungen inzwischen von der Produktion entkoppelt ist, wird in Österreich noch nach den Werten aus der Vergangenheit gefördert: wie viel einst produziert worden ist. Das Modell, das derzeit in den EU-Kreisen besprochen wird, ist eines, dass die Bauern nur noch nach Hektar zahlen will. In diesem Regionalmodell wird jeder Hektar gleich viel wert sein. Die Auszahlungen werden gleich bleiben, aber innerhalb der Empfänger werden sich die Gelder verschieben. Das heißt, dass jemand, der ertragslose Wiesen mäht, wird - bei gleicher Fläche - gleich viel bekommen wie die kleinen Familienbetriebe, die einen Gutteil der österreichischen Landwirtschaft ausmachen.
Das ist auch der zweite Punkt, der Astl Sorge macht. Man wolle die erste Säule stark kürzen, heißt es. Treibende Kraft dahinter sind Großbritannien, Schweden, Holland und Dänemark. Die "Viererbande", wie diese Länder in agrarischen Kreisen unter der Hand genannt werden. Diese Länder verfügen vor allem über Großbetriebe, die sich auch ohne der Betriebsprämie über Wasser halten können. "Eine grüne Wiese und die damit einhergehende Landschaftsgestaltung, das ist ja keine marktwirtschaftliche Größe. Niemand zahlt dafür, dass sie grün ist. Auch wenn sich der Tourismus ohne ihr sehr schlecht vermarkten könnte", erklärt Siffert die Rechtfertigung der Betriebsprämie. Sonst würden periphere Räume brachliegen.
716 Millionen Euro auserster Säule nach Österreich
2009 sind unter dem Titel der Direktzahlungen 716 Millionen Euro von der EU an österreichische Bauern geflossen. "Ohne der Betriebsprämie würden über 80 Prozent der heimischen Bauern negativ bilanzieren", schätzt August Astl. "Zum Teil macht die Direktzahlung 25 Prozent der Einnahmen des Betriebs aus." Falls die Betriebsprämie wegfällt oder zumindest empfindlich gekürzt wird, wird es zu einer Abwanderungs- und Verpachtungswelle kommen, prophezeit Astl. Gern wird in ruralen Kreisen die Geschichte aus Frankreich erzählt: Im Massif Central gibt es teilweise ganze Dörfer, die verlassen worden sind. Will das die EU?
Bei der im Juli von EU-Agrarkommissar Dacian Ciolos einberufenen Konferenz über die Zukunft der gemeinsamen Agrarpolitik betonte ein Konferenzteilnehmer, dass nicht alle Landwirte haltbar sind. Ein italienischer Professor betonte, dass es bei der Reform der Agrarpolitik nicht darum gehen könne, ausnahmslos alle derzeitigen Bauern auf dem Hof zu halten. Ein Anstieg der durchschnittlichen Betriebsgröße wirke sich positiv auf die Effizienz aus. Und je größer der Betrieb, desto eher könne man zu einem Weltmarktpreis produzieren. Auch wenn man "europäische Kosten" dabei habe. Denn mit der Produktion halten sich viele Betriebe in Europa inzwischen zurück, damit es nicht zur Überproduktion kommt - und weil der Absatz innerhalb Europas nicht mehr garantiert ist. Früher hat der Export Subventionen bekommen, um am Weltmarkt zu konkurrieren. Seit die EU von dem Modell (Preisgarantie innerhalb der Union und von der Subvention des Exportes) abgegangen ist, wird das eingesparte Geld stattdessen in die Betriebsprämie gesteckt.
Im Herbst werden die ersten Vorschläge zur Agrarreform diskutiert. Ciolos will an einem Zwei-Säulen-Modell festhalten. Doch die Berechnung der ersten Säule steht in den Sternen. Bisher hat Ciolos nur verlauten lassen, dass Bauern in den neuen EU-Staaten weniger für ihren Hektar Land bekommen werden als jene in "alten" EU-Ländern.
Die Betriebsform, die sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie der Klima- und Umweltschutz könnten Kriterien für die Bemessungsgrundlage sein, führte der Kommissar im Juli aus.