Jung und unentschlossen: Viele Erstwähler wissen nicht, wen sie am Sonntag wählen sollen - | die Diskussion "Politikum" will bei der Entscheidungsfindung helfen.
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Wien. Was bringt das 16. Lebensjahr nicht für Vorteile: So öffnen sich erstmals - ohne anrüchige Hilfsmittel - die Türen mancher Nachtclubs. Doch mit dem Alter kommt auch die Verantwortung: Seit 2007 dürfen 16-Jährige wählen. Laut Angaben der Stadt Wien sind heuer erstmals 74.469 Jugendliche bei den Wiener Gemeinderats- und Bezirksvertretungswahlen wahlberechtigt. Davon dürfen 8187 EU-Bürger nur auf Bezirksebene wählen.
Um Erstwählern bei der oftmals schwierigen Entscheidungsfindung zu helfen, lud die "Jugend Lainz" am Mittwochabend zur Diskussionsveranstaltung "Politikum" ein. Rund 70 Personen, hauptsächlich Erst- und Jungwähler, nahmen bei der Debatte im Kardinal König Haus im 13. Bezirk teil.
Kurz vor der Wahl zeigten sich die Erstwähler in Gesprächen meist unentschlossen. "Ganz fix weiß ich es noch nicht", "Ich bin noch unentschlossen": Es waren Antworten, die man öfters hörte. Nur zwei Erstwähler waren sich schon "relativ sicher". Gewisse Tendenzen hatten die meisten von ihnen: "Zwischen zwei oder drei Parteien muss ich mich noch entscheiden", meinte etwa der 16-jährige Alexander. Um diese Jungwähler bemühten sich die teilnehmenden Politiker von SPÖ, FPÖ, Grüne, ÖVP und Neos. Im Mittelpunkt der Debatte stand unter anderem die Bekämpfung der hohen Arbeitslosigkeit in Wien.
"Wien wächst enorm. Zudem befinden wir uns in einer Wirtschaftskrise, die sich natürlich auch auf Österreich auswirkt", sagte Jungpolitikerin Marina Hanke, SPÖ-Gemeinderatskandidatin. Für die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend in Wien ist ein Sparkurs in Krisenzeiten der falsche Weg. Sie sieht Investitionen, welche die Stadt Wien auch vorgenommen habe, als besseres Mittel gegen die Arbeitslosigkeit. Besonders um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen, müssten die Leute zudem eine gute Ausbildung bekommen.
"Das Geld kommt nicht an", konterte Neos-Gemeinderatskandidat Christoph Wiederkehr. Mehr Schulden und Arbeitslose seien das Ergebnis der Investitionen gewesen. Die Maßnahmen der Stadt Wien seien ungenügend und falsch: Denn nicht die Stadt würde langfristig Arbeitsplätze schaffen, sondern die Unternehmen. Im Lehrbereich müssten moderne Lehrberufe anerkannt werden - zum Beispiel im IT-Sektor. Unternehmern sollte außerdem die Kommunalsteuer erlassen werden.
"In Hongkong gründet manmit einem A4-Zettel"
Die SPÖ und Grünen würden nur Symptome der Arbeitslosigkeit bekämpfen, nicht aber die Ursachen suchen, meinte Dominik Stracke, ÖVP-Gemeinderatskandidat und Landesobmann der Jungen ÖVP-Wien. Die Probleme seien die schlechte Ausbildung an den Hauptschulen und die nicht vorhandenen Lehrplätze. Um Unternehmen zu helfen, müsse man bürokratische Hürden abbauen: "In Hongkong gründet man ein Unternehmen mit einem A4-Zettel."
Günter Kasal, FPÖ-Gemeinderatsabgeordneter und Bezirksparteiobmann der Freiheitlichen in Hietzing, findet es gut, dass die Stadt ein großer Arbeitgeber ist. "Die Lehrlingsausbildung funktioniert verhältnismäßig gut." Es müssten allerdings auch steuerliche Anreize geschaffen werden, damit Unternehmen mehr Lehrlinge ausbilden.
"Jeder einzelne Arbeitslose ist genau einer zu viel", sagte der Gemeinderatskandidat der Grünen, Daniel Landau. Während ihrer Regierungszeit in Wien hätten die Grünen wichtige Impulse gesetzt. "Die thermische Sanierung der alten Gebäude Wiens habt sowohl der Umwelt geholfen als auch die Arbeitslosigkeit gemindert." In den einzelnen Lehrwerkstätten gebe es aber teilweise "Nullbeschäftigung" - das müsse man bekämpfen.
Im Vergleich zur aufbrausenden ORF/Puls4-Elefantenrunde am Montag verlief die Diskussion äußerst ruhig. Sachlich wurde über das Wahlrecht und die Integration von Zuwanderern debattiert. Grobe Sprüche gab es kaum - emotional wurde die Diskussion erst beim Thema Verkehr.
"Ich habe ein Auto und werde auch nicht von den Grünen ausgeschlossen", sagte Landau. "Bei Leuten, die ihr Auto als Fetisch behandeln und sich die Freiheit nehmen, nur weil sie es können: Da versteh ich aber, dass man denen auf den Fuß steigt." Stracke konterte, dass die ÖVP in der Verkehrspolitik niemanden ausgrenzen wolle. Die einzelnen Verkehrsgruppen sollen nicht gegeneinander ausgespielt werden.
Für Wiederkehr zeigten die Aussagen von Stracke und Landau, wie ideologisch in Wien Verkehrspolitik betrieben werde. Es brauche mehr Sachpolitik. "Wenn ich das Geld habe, ist Wien sensationell", sagte Kasal. In vielen Arbeiterbezirken sei die Verkehrsanbindung aber nicht ausreichend ausgebaut. Hanke betonte, dass Mobilität für alle Menschen leistbar sein müsse.
Für die Erst- und Jungwähler ist besonders das Thema Bildung interessant - so wurde Frau Hanke gefragt, warum sie die Zentralmatura negativ bewerte. Zwar sei die Idee der Zentralmatura eigentlich eine gute, erklärte Hanke, aber: "Bei der Umsetzung sind viele Fehler passiert, die nicht hätten passieren dürfen."
"Bei Wahlen gibt es eine klare Mandatsverteilung durch den Wähler. Wie ist es also möglich, dass jetzt Mandatare die Partei wechseln können? Zum Beispiel vom Team Stronach zur ÖVP?", wollte ein Jungwähler wissen. "Der Hintergrund ist, dass sich die Mandatare den Parteien und nicht den Wählern verantwortlich fühlen", antwortete Stracke. Wiederkehr schlug folgende Lösung vor: Wenn Mandatare die Partei wechseln, soll die abwerbende Partei keine finanziellen Vorteile, wie bisher eine erhöhte Parteienförderung, erhalten.
FPÖ für die Jugend "entzaubern"
Nach der Veranstaltung war sich der 16-jährige Alexander immer noch nicht sicher, wen er am Sonntag wählen wird. Gebracht habe ihm die Veranstaltung aber schon etwas - er könne seine Entscheidung nun etwas mehr eingrenzen. Die Diskussion habe seine Meinung nicht ändern können, habe ihm aber interessante Aspekte über die einzelnen Parteien aufgezeigt, meinte Moritz (16).
Doch welche Bedeutung haben Jungwähler und das bürgerliche Publikum Hietzings für die einzelnen Parteien eigentlich - wie kann man sie für sich gewinnen?
Um bei Jungwählern zu punkten, müsse es mehr junge Leute in der SPÖ geben, die auch "sichtbar" seien, sagte Hanke. Andererseits müsste man die FPÖ - gerade auf jugendpolitischer Ebene - entzaubern und die Probleme arbeitender Menschen ansprechen. Landau äußerte die Hoffnung, dass am Sonntag nicht strategisch gewählt werde. Man solle die Partei wählen, hinter der man stehe und mit der man übereinstimme, sagte er. Er glaubt, dass das bürgerliche Währing grün werden könnte.
"Gerade Hietzing ist einer der fünf Prestigebezirke, die wir als schwarze Hochburgen derzeit halten", erklärte Stracke. Um bei jungen Wählern besser zu punkten, müsse man im urbanen Bereich die ÖVP-Werte und Inhalte in ein attraktiveres Gewand hüllen. Mit Integrationsminister Sebastian Kurz sehe man, was möglich sei.
"In Hietzing haben wir ein sehr gutes Potenzial, weil sehr viele frustrierte ÖVP-Wähler sich dieses Mal für die Neos entscheiden werden", meinte Wiederkehr. Insgesamt würde man in bürgerlichen Bezirken generell "mehr machen".
Auch die FPÖ wirbt um Stimmen aus dem gutbürgerlichen Milieu. "Ich war mit Frau Stenzel in Hietzing unterwegs und war positiv überrascht, wie viele Leute sie erkannt haben", sagte Kasal. Er rechnet damit, dass ihm Stenzel sogar auf Hietzinger Bezirksebene Stimmen bringen könnte.