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Offenbar Einigung, dass alle Lehrer in Kompetenz der Länder fallen werden.
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Wien. Es ist der 8. August, gegen halb elf Uhr abends, als Bundeskanzler Werner Faymann, Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll samt ihren engsten Mitarbeitern einen mittlerweile legendären Eintrag ins Gästebuch des nicht minder legendären Pfarrwirts in Wien-Grinzing schreiben: "An diesem Tisch ist der Gemischte Satz der Politik offenkundig geworden. Er hat sehr gemundet." Die "Krone" ortete einen "Reblaus-Pakt", doch worum ging’s? Und was könnte das Destillat eines solchen "Gemischten Satzes der Politik" sein?
Faymann und Pröll zeigten sich über die Reaktionen belustigt, ÖVP-Chef Michael Spindelegger war dagegen ein wenig indigniert, klar war nur: Ein Geheimtreffen im Pfarrwirt gibt es nicht. Hier trifft man einander, um gesehen zu werden. Und nun ist auch klar, worum es an jenem Abend im August ging, zumindest unter anderem: Alle Lehrer sollen unter ein Dach gestellt werden.
Das hatte zwar auch Unterrichtsministerin Claudia Schmied gefordert, allerdings wollte diese sämtliche Lehrer in die Kompetenz des Bundes überführen, also auch die Pflichtschullehrer. Doch Schmied wird der neuen Regierung nicht mehr angehören, vermutlich auch wegen jenes Abends im August beim Pfarrwirt. Es soll nun genau andersrum kommen, die Länder sollen für alle Lehrer verantwortlich sein. Das "Bundesgymnasium", das war einmal.
Laut Informationen der "Wiener Zeitung" sollen die Lehrer unter ein Dach kommen, nicht mehr zwischen Bund und Ländern aufgeteilt sein. Und zwar sollen sie zur Gänze bei den Ländern sein. "Das war auf der Agenda der Verhandlungen", hieß es. Ob und in welcher Form das Gymnasium bleibt, wird nach wie vor verhandelt, Einigkeit dürfte zwischen den Verhandlern aber jedenfalls darin bestehen, dass der Bund nicht mehr verantwortlich sein soll. Und zwar nicht in der Koalitionsverhandlungsgruppe Bildung, sondern in jener für die Staatsreform.
Gegenstimmen in SPÖ-Präsidium?
Eine Schwierigkeit sehen Beobachter unter anderem noch darin, dass es innerhalb der Parteien Widerstände geben dürfte. "Nächste Woche ist SPÖ-Präsidium, bei dem ein entsprechender Bericht mit Sicherheit sehr heftig debattiert werden wird", sagt ein Insider. Schließlich war man in der Sozialdemokratie immer für eine Zentralisierung des Bildungswesens und gegen eine Verländerung. Es sei denn, man ist Landeshauptmann: Burgenlands Landeschef Hans Niessl, selbst gelernter Lehrer, will die Lehreragenden bei den Ländern sehen.
Er hat schon 2010, als dieselbe Debatte sehr intensiv geführt wurde, das sogenannte "Frauenkirchner Papier" bei einer Landeshauptleutekonferenz vorgelegt. Demnach sollte die Schulorganisation in Form der mittelbaren Bundesverwaltung - ähnlich den Bezirkshauptmannschaften - erfolgen. Die Richtlinienkompetenz, also Gesetzgebung und oberste Vollziehung, wären Bundessache, Rahmengesetze und Durchführungsbestimmungen lägen bei den Ländern. Die Vollziehung auf Landesebene erfolgt durch den Landeshauptmann und die als Landesbehörde eingerichtete Bildungsdirektion. Letztinstanzlich sollen beide dem Bund unterstehen.
Trennung hat Wurzeln
in der Schulgeschichte
Das könne man sich so vorstellen, dass zwar der Minister die oberste Weisungskompetenz hat, aber ob sich die Landeshauptleute an diese Weisung auch halten, stehe in den Sternen - so jedenfalls drückt es ein Kenner der österreichischen Innenpolitik aus.
Derzeit sind alle Pflichtschullehrer bei den Ländern, alle Lehrer in AHS, BHS oder BMS beim Bund. Ergeben hat sich diese Struktur in der Geschichte daraus, dass die höheren Schulen traditionellerweise kirchlich geführt wurden und dann beim Bund angesiedelt wurden, während die Dorfschulen eben von den Gemeinden betreut wurden und damit in Länderkompetenz stehen.
Widerstände
auch in der ÖVP
Doch nicht nur in der SPÖ, auch in der ÖVP dürften nicht alle Feuer und Flamme für eine Überantwortung der Kompetenzen an die Länder sein. Möglich, dass sich hier parteiübergreifender Widerstand noch formiert. Aber die Gegner dürften mittlerweile da wie dort eher auf verlorenem Posten stehen. In der SPÖ fehlt Claudia Schmied, die sich massiv gegen eine Kompetenzabgabe an die Länder gewehrt hat. Auch Salzburgs Landeshauptfrau Gabi Burgstaller hat nichts mehr zu sagen. Bleiben die Landeshauptleute Hans Niessl, Michael Häupl, Franz Voves und Peter Kaiser, wobei Häupl gegen mehr Kompetenzen nichts einzuwenden hat.
Wenn sich die Verländerung der Lehrer tatsächlich durchsetzt, wird dadurch das Unterrichtsministerium massiv geschwächt. Das deutet wiederum darauf hin, dass auf der Personalseite eventuell Sebastian Kurz wieder ins Spiel kommt und den Unterricht mit den Zukunftsagenden übernimmt.
Koenne: Verländerung dient Machterhalt der Länder
"Eine Verländerung der Lehrer wäre eine traurige Entwicklung, ist durch nichts gerechtfertigt und dient ausschließlich dem Machterhalt der Länder", sagt Bildungsexpertin Christa Koenne zur "Wiener Zeitung". Jede wissenschaftliche Evidenz komme zu dem genau umgekehrten Schluss, nämlich, dass die Richtlinienkompetenz beim Bund sein müsse. Bildungsstandards, Lehreranstellungen, -zuordnung und Bezahlung müssten beim Bund sein.
Die Bildungsforscherin befürchtet, dass eine weitere Dezentralisierung der Lehrer zu unterschiedlichen Regelungen in den Ländern führen würde. Was aber würde das an den vielen Landesgrenzen im Staat bedeuten? Und würde das die Mobilität der Lehrer völlig zum Erliegen bringen? Denn ein Wechsel eines Pflichtschullehrers von einem in ein anderes Bundesland könnte dann noch schwieriger werden, etwa bei der Anrechnung von Vordienstzeiten.
Koenne befürchtet auch, dass eine Länderlösung noch teurer käme. Denn alles, wo es einen Zwischenhändler gibt, sei teurer, sagt sie. Gewinner einer solchen Umsetzung wären jene, die die Macht am Standort halten wollen. Verlierer wären das System, weil es noch teurer werde. Auf mehr oder weniger Schulautonomie hätte eine Verländerung der Lehrer keine Auswirkungen, sagt Koenne. Gewähren könnten diese sowohl Bund als auch Land - nur befürchten viele, dass die Länder mit der Autonomie nicht so großzügig umgehen würden. Etwas Positives kann die frühere AHS-Direktorin Koenne einer solchen Entwicklung nur dann abgewinnen, wenn die Länder sich auf gemeinsame Standards einigen. "Aber dazu bräuchten sie einen Mediator. Den hätten sie aber schon: nämlich den Bund."