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Die niederländische Populist Geert Wilders ist der führende Kopf hinter der Allianz der europakritischen Rechtsparteien.
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Geert Wilders ist nicht nur wegen seiner wasserstoffblond gefärbten Haare der im Ausland wohl bekannteste niederländische Politiker. Aufgrund seiner Attacken gegen den Islam steht der Rechtspopulist seit 2004 rund um die Uhr unter Personenschutz, in einem Prozess wegen Diskriminierung und Aufhetzung wurde er allerdings 2011 freigesprochen. Nach einem steilen Aufstieg stürzte die PVV des 50-jährigen Juristen bei den Parlamentswahlen 2012 aber wieder ebenso tief ab. Bei den EU-Wahlen werden Wilders, der die europäischen Rechtsparteien gegen die EU vereinen will, allerdings wieder knapp 16 Prozent prognostiziert. Im Interview spricht er über alte und neue Rechte und seine Abneigung gegen Europa.
"Wiener Zeitung": Herr Wilders, Sie fordern, dass die Niederlande aus der EU austreten. Was hat es damit auf sich?Geert Wilders: Das hat eine politische und eine finanzielle Seite. Die politische ist die Zurückgewinnung unserer Souveränität. Zur finanziell-ökonomischen Seite haben wir eine
"NExit"-Studie in Auftrag gegeben. Sie zeigt, dass Europa uns mehr kostet als nützt. Es ist ein "One-Size-Fits-None"-Korsett, schlecht für ärmere Länder wie Griechenland und schlecht für die Geberländer im Norden wie etwa die Niederlande.
Was soll denn außerhalb der EU besser sein?
Laut unserer Studie würde das Brutto-Nationaleinkommen wachsen und die Arbeitslosigkeit sinken. Und der Handel mit schnell wachsenden Ökonomien in Asien, Lateinamerika oder Afrika ist leichter, wenn man kein Moloch mit lauter verschiedenen Interessen ist. So hat die Schweiz ein Freihandelsabkommen mit China schon unterzeichnet, während Europa noch über dessen Bedingungen streitet.
Und die politische Seite? Woher kommt Ihre enorme Abneigung gegen Europa?
Nehmen wir das Beispiel Immigration. Meine Partei, die PVV, hat zwei Jahre lang eine Minderheitsregierung gestützt. Eine unserer Forderungen war, wieder Herr über unsere Immigrationspolitik zu werden. Die niederländische Regierung wollte in Europa die Regeln für Familiennachzug verschärfen. Das ging aber nicht, weil die EU-Kommissarin Cecilia Malmström über unsere Immigrationspolitik bestimmt. Dabei kennt niemand sie hier in den Niederlanden, und niemand hat sie gewählt.
Bei den Europawahlen streben Sie eine Kooperation rechter Anti-EU- Parteien an. Wer ist bereits dabei, wer nicht, wer zögert noch?
Das wird erst nach den Wahlen deutlich. Ich bin letztes Jahr durch ganz Europa gereist. Ich sprach mit der Front National, den Schwedendemokraten, der Lega Nord, mit Heinz-Christian Strache in Österreich. Aber diese Liste ist nicht geschlossen. Ich hoffe und erwarte, dass sich nach den Wahlen noch mehr Parteien finden werden - vor allem diejenigen, die gewinnen werden.
Wie müssen wir uns diese Zusammenarbeit nach den Wahlen vorstellen: Werden Sie probieren, die EU einfach lahmzulegen?
Nun, das klingt ziemlich destruktiv. Lassen Sie mich so beginnen: Wir, die PVV, wollen uns nicht an europäischer Partei-Bildung betätigen, wohl aber an einer Fraktionsbildung. Eine Fraktion hat mehr Befugnisse: Man kommt in wichtige Kommissionen, hat mehr Redezeit, das Recht Änderungsvorschläge zu machen. Fraktionsunabhängige Abgeordnete im europäischen Parlament können dies nicht.
Und wie gedenken Sie, als Fraktion vorzugehen?
Alle Parteien, die ich eben nannte, haben gemein, dass sie weniger Europa wollen. Sie wollen die Souveränität ihres Landes zurückerlangen, wieder über die eigenen Grenzen und Migrationspolitik bestimmen, das eigene Geld, den eigenen Haushalt, die eigene Außenpolitik. Christdemokraten, Liberale, Sozialdemokraten und Grüne betreiben schon lange Blockbildung. Ich denke, es tut gut, wenn wir die Fenster in Brüssel und Straßburg öffnen und dort einen kräftigen Wind durchwehen lassen.
Was soll man sich konkret darunter vorstellen?
Es ist muffig geworden im europäischen Zimmer. Wenn es nach meiner Partei geht, dann lösen wir den Laden morgen auf. Wir haben dafür aber keine Mehrheit, auch nicht mit den Parteien, mit denen wir zusammenarbeiten werden. Und ich suggeriere nicht, dass das morgen anders ist. Europa abschaffen würde länger dauern als eine Wahlperiode. Aber uns gemeinsam einsetzen, um alle Vorschläge aufzuhalten, die mehr Befugnisse nach Brüssel übertragen wollen, um Macht in die nationalen Hauptstädte zurückzuholen - daran wollen wir arbeiten. Das wird ein erster Schritt. Und darum werden es historische Wahlen.
Warum werden Sie nun mit Parteien kooperieren, mit denen Sie früher nie zu tun haben wollten?
In den letzten Jahren hat sich etwas verändert. Nehmen wir die Front National als Beispiel: Die neue Präsidentin, Marine Le Pen, ist eine ganz andere Politikerin als ihr Vater. Sie will Abschied nehmen von Teilen der alten FN. Natürlich ist ihr Vater noch in der Partei, aber sein Einfluss hat abgenommen. Sie ist der Boss und hat einen anderen Kurs eingeschlagen. Daneben finde ich, dass wir in der Vergangenheit oft zu ängstlich waren, was die Medien oder das Elektorat von dieser Zusammenarbeit halten. Wenn wir uns davon abhalten lassen, einander zu finden, sind die europhilen Parteien die großen Gewinner.
Aber Parteien wie Vlaams Belang haben doch nach wie vor einen rechtsextremen Rand.
Damit habe ich überhaupt nichts zu tun. Lassen Sie mich nochmals das Beispiel von Frau Le Pen nehmen: Sie hat die internen Wahlen zur Nachfolge ihres Vaters gewonnen. Ihr Gegenkandidat wollte die Linie ihres Vaters fortsetzen. Trotzdem kann man nicht erwarten, dass in einem Jahr all diese Elemente aus einer Partei verschwunden sind, auch wenn ich das gerne hätte. Ich verabscheue alle extremen Elemente in Parteien, aber ich weiß auch, dass sich das von heute auf morgen nicht alles ändert.
Die Rechtsparteien Europas mögen sehr divers sein. Aber Rassisten sind dort nun mal auch vertreten. Was für eine Erklärung haben Sie dafür?
Ich finde die Frage einseitig. Was mir immer auffällt, ist, dass man linke Politiker nie fragt, was für Gestalten sie anziehen. Ich kann Ihnen Beispiele geben von Senatsmitgliedern der niederländischen Linksgrünen, die des Terrorismus verdächtigt wurden, oder Sozialisten, die bei Mao zum Kaffee vorbeikamen, Kuba verklären oder in Ostdeutschland mit Honecker am Tisch saßen. Die niederländischen Christdemokraten haben in Europa mit Silvio Berlusconi zusammengearbeitet, dem Mann der Bunga-Bunga-Partys, und nie hat jemand danach gefragt. In jedem Teil des politischen Spektrums gibt es Parteien, die viele verschiedene Menschen anziehen. Das bedeutet nicht, dass sie dafür Verantwortung ablegen müssen.
Was sind denn für Sie die Grenzen? Gibt es rechte Parteien, mit denen Sie nicht kooperieren würden?
Parteien, die wirklich über die Grenze des entweder Extremistischen oder Rassistischen gehen. Meine Partei wird nie etwas mit der Jobbik zu tun haben, die militaristisch und zum Teil antisemitisch gefärbt ist.
Bei einem umstrittenen Auftritt nach den Kommunalwahlen haben Sie vor einigen Wochen selbst lautstark die Forderung nach "weniger Marokkanern" erhoben. Wie stehen Sie heute zu Ihren Aussagen?
Ich habe nichts gesagt, das ich bedauere. Will ich weniger Marokkaner? Ja. Aber nicht, weil es Marokkaner sind, sondern weil sie überrepräsentiert sind in der Kriminalstatistik. Also, warum soll ich mich dafür entschuldigen? Will ich alle Marokkaner aus dem Land? Nein. Ich will alle kriminellen Marokkaner aus dem Land. Das Schließen der Grenzen für Menschen aus islamischen Ländern steht schon seit 100 Jahren in unserem Wahlprogramm.
Hat sich durch den "Marokkaner"-Sager etwas für Sie verändert.
Ich glaube nicht. In den Umfragen haben wir zuerst etwas verloren, jetzt ziehen wir wieder an. Ich sage Ihnen auch voraus, dass das noch weitergehen wird und dass wir bei den Wahlen am 22. Mai glorreich gewinnen werden. Auf jeden Fall sind wir unter den beiden stärksten Parteien.
Viele Menschen im Ausland wundern sich, dass Ihre Partei außer Ihnen keine Mitglieder hat. Was steckt dahinter?
Wissen Sie, wenn sie das in den Niederlanden fragen, dann wissen die Leute es auch nicht. Es geht den Menschen um Standpunkte der Parteien, nicht um Mitgliederstrukturen. In den Niederlanden sind vielleicht zwei Prozent der Bevölkerung Parteimitglied. Und ich habe von der Partei Pim Fortuyns (der 2002 erschossene Rechtspopulist gilt als Wilders’ Vorbild, Anm.) gelernt. Ich habe gesehen, zu was für einem Chaos es führen kann, wenn die verkehrten Leute die Partei kapern oder Mitglied werden. Wir sind, finde ich, eine demokratische Partei. Alle wichtigen Beschlüsse werden in der Parlamentsfraktion getroffen. Ich bestimme das nicht selbst.