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Die EU, der Müll und die Generation Awake

Von Andrea Möchel

Wirtschaft
Wegwerfgesellschaft: Abfälle sind eine viel zu wenig genutzte Ressource.
© Alterfalter/fotolia

Eine Kampagne der EU-Kommission sagt der Wegwerfkultur den Kampf an.


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Wien. Wenn die Designerin Barbara Turska-Knyziak in ihrem Warschauer Atelier Körbe, Lampen und Obstschalen herstellt, dann entstehen dabei ebenso filigrane wie nachhaltige Objekte. Der Grund: Die Designerin arbeitet ausschließlich mit Altpapier. "Recycelte Zeitungen und Zeitschriften bieten zahlreiche Verwendungsmöglichkeiten und sind gleichzeitig sehr umweltfreundlich. Trotzdem wird dieses Potenzial nur sehr selten genutzt", wundert sich Turska-Knyziak. "Aber die Denkweise der Menschen beginnt sich zu ändern." Mittlerweile veranstaltet die Polin Workshops zur Herstellung von Upcycling-Produkten und plant Möbel aus Recyclingpapier zu fertigen.

Auch der Niederländer Willem Heeffer hat das Potenzial von Abfallprodukten entdeckt und konstruiert unter anderem Lampen aus Waschmaschinentrommeln und Kronleuchter aus Bohnendosen. "Ein Upcycling-Produkt basiert auf drei Grundprinzipien: vor Ort produzierte und recycelte Materialien, Handfertigung nach höchsten Qualitätsstandards sowie die Umgestaltung des Objekts zu einem neuen Produkt, das nichts mehr mit dem Ursprungsprodukt zu tun hat", erklärt Heefer den Weg vom Müll zum begehrten Designerstück. Heefer und Turska-Knyziak fungieren für die "Generation Awake"-Kampagne der EU-Kommission als sogenannte "Awakener". Ihr Ziel ist es, die Europäer für einen nachhaltigeren Umgang mit der Ressource Müll zu sensibilisieren.

Die Kampagne wurde 2011 von der Generaldirektion Umwelt der Europäischen Kommission ins Leben gerufen, um den Wandel zu einem ressourceneffizienteren Europa zu fördern. Mit Broschüren und einer eigenen Homepage sollen die EU-Bürger dazu angeregt werden, Abfall zu vermeiden und natürliche Ressourcen wie Wasser, Energie, Holz und Metall überlegter zu nutzen. Heuer liegt der Schwerpunkt der Kampagne auf einem verbesserten Abfall-Management - einem der Schlüsselelemente der Green Economy.

Allein 2010 fielen in der EU insgesamt 2520 Millionen Tonnen Abfälle an, das entspricht einem Durchschnitt von fünf Tonnen pro EU-Bürger und Jahr. Das Problem: Trotz EU-weiter Zielvorgaben für Recycling sind die Abfälle in der EU ein viel zu wenig genutzte Ressource. Dabei würde allein die vollständige Umsetzung der europäischen Abfallgesetzgebung Einsparungen in Höhe von jährlich 72 Milliarden Euro zeitigen, wie eine Studie der EU-Kommission belegt. Ein weiterer Effekt wäre der Anstieg des Jahresumsatzes in der Abfallwirtschaft um 42 Milliarden Euro und die Schaffung von 400.000 neuen Jobs bis 2020.

Österreich an der Spitze

Doch es gibt auch Fortschritte zu verzeichnen. Während 2010 noch 37 Prozent der Haushaltsabfälle auf Deponien gelagert wurden, herrscht mittlerweile der Trend zu Recycling und Kompostierung (38 Prozent) oder Verbrennung und Energierückgewinnung (21 Prozent) vor. 2011 wurden laut einem Bericht der Europäischen Umweltagentur insgesamt 40 Prozent dieser Siedlungsabfälle recycelt, im Jahr 2001 waren es noch lediglich 23 Prozent. Besonders erfreulich: Österreich zählt neben Belgien und Deutschland zu jenen Ländern, die 2010 am meisten Siedlungsabfall recycelt haben.

Auch Europas Unternehmen erkennen nun zunehmend, dass die Verbesserung der Ressourceneffizienz und die Reduzierung von Abfällen jede Menge Vorteile bringt. So werden bei der Ikea Group, die zu den Förderern der "Generation Awake"-Kampagne zählt, mittlerweile 87 Prozent der Abfallstoffe recycelt oder zur Energierückgewinnung verbrannt.

Wie kreativ und gleichzeitig lukrativ man mit Müll Geschäfte machen kann, beweist das international agierende US-Unternehmen TerraCycle, das auch in Österreich aktiv ist. TerraCycle sammelt schwer zu recycelnde Verpackungen und Gegenstände wie Trinkbeutel, Chips-Verpackungen, Kugelschreiber und Zahnbürsten, um daraus Taschen, Blumentöpfe und Gießkannen zu fertigen. Weltweit hat TerraCycle bereits mehr als 2,6 Milliarden Verpackungen zu neuen Produkten umgearbeitet. Derzeit entwickelt das Unternehmen Lösungen für besonders schwierig zu recycelnde Abfallströme, wie beispielsweise Wegwerfwindeln und Kaugummis.

Das Unternehmen Healthy Seas hat sich wiederum zum Ziel gesetzt, Meeresabfälle, insbesondere Fischernetze zu sammeln und daraus - nach dem Motto "from waste to wear" - neue Textilprodukte herzustellen. Laut UN-Berichten befinden sich in den Meeresgewässern weltweit rund 640.000 Tonnen an zurückgelassenen Fischernetzen, die die maritime Tier- und Pflanzenwelt bedrohen. Healthy Seas koordiniert das Einsammeln der Fischernetze, die dann zum Garn Econyl® wiederaufbereitet werden, das unter anderem zur Sockenproduktion verwendet wird. Seit März 2014 unterstützt das niederländische Unternehmen nun auch die "Generation Awake"-Kampagne. Das Ziel: "Unser innovativer Regenerationszyklus soll als inspirierende Geschäftsidee für die Generation Awake fungieren."