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Die EU - eine romantische Idee von gestern?

Von Christian Ortner

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Die Union als "Friedensprojekt" hat ausgedient: Auch ohne sie gäbe es keinen Krieg. Sie braucht ein gutes Argument, warum sie dem Nationalstaat überlegen ist - sonst geht sie unter.


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Wird 2011 in den Geschichtsbüchern dereinst als das Jahr beschrieben werden, in dem das Ende der Europäischen Union, wie wir sie heute kennen, begann? Könnte es gar so weit kommen, dass sich die EU innerhalb der nächsten Jahre zu einer weitgehend ohnmächtigen Ansammlung von Brüsseler Institutionen zurückentwickelt, während alle halbwegs relevanten Entscheidungen wieder ausschließlich von den Nationalstaaten getroffen werden? Liegt die Zukunft der EU in einer besseren Freihandelszone wieder völlig souveräner Staaten?

Noch ist das keine übertrieben wahrscheinliche Entwicklung. Noch. Denn hätte vor wenigen Jahren jemand prophezeit, dass an der französisch-italienischen Grenze Reisende wieder kontrolliert werden, wäre das ungefähr so plausibel erschienen wie die Restauration der Habsburger-Monarchie in Österreich. Und hätte man prophezeit, dass in ganz ernsthaften Zeitungen darüber diskutiert werden wird, ob eher Deutschland oder doch eher Griechenland aus der Euro-Zone austreten soll, wäre dies als ökonomisch sektiererische Haltung erschienen. Und doch ist 2011 beides Gegenstand eines sehr realen und heftigen öffentlichen Diskurses.

Dass diese Entwicklung zurück zum Nationalstaat noch weiter an Tempo gewinnt, ist nicht zwingend, aber durchaus möglich. Und dass eine große Mehrheit der Europäer dies für eine große Katastrophe hielte, ist eher nicht anzunehmen, wie die heftigen Stimmenzuwächse besonders EU-kritischer Parteien und die meisten Meinungsumfragen quer über den Kontinent zeigen.

Zum Teil haben sich die europäischen Institutionen diese Ablehnung ja auch redlich verdient. Dass die EU vielen Europäern nicht mehr als Teil der Lösung, sondern viel eher als Teil des Problems erscheint, hat durchaus handfeste Gründe.

Doch hinter diesen bekannten und breit beschriebenen Gründen scheint noch eine ganz andere historische Kraft die Fundamente der Union zu unterwaschen: das langsame Versinken des Zweiten Weltkriegs in der Geschichte.

Denn je präsenter dessen Gräuel noch waren, um so mehr Legitimität bezog die EU ja noch aus ihrer Eigenschaft als kühnes, romantisches "Friedensprojekt". Dafür war jeder halbwegs Vernunftbegabte breit, auch den einen oder anderen Brüsseler Blödsinn zu akzeptieren.

Diese Geschäftsgrundlage ist der EU abhanden gekommen. Als "Friedensprojekt" braucht die EU heute in Wahrheit niemand mehr; nicht ganz zu Unrecht wird dieser Begriff zunehmend als keulenartige Phrase empfunden, die nur noch zur Abwehr berechtigter Kritik an Brüssel missbraucht wird.

Bis jetzt ist freilich weit und breit keine andere Große Erzählung zu sehen, die an die Stelle des nicht mehr sehr überzeugenden "Friedensprojektes Europa" treten könnte und die den Unterbau der weiteren Intergration Europas bilden könnte. Fehlt dieses Fundament aber auf Dauer, könnte die EU künftig als ein überholtes Projekt der Nachkriegsgeneration dastehen, bestens gemeint und rührend in der Absicht - aber ohne für die Mehrheit der Europäer erkennbaren Nutzen im 21. Jahrhundert.