Eigentlich wirkt der Kompromiss von Lissabon sehr österreichisch. Die EU-Staaten können sich viel einfallen lassen und Partnertausch über die EU-Grenzen hinaus betreiben.
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Bundeskanzler Alfred Gusenbauer hat die regionale Zusammenarbeit Österreichs mit Staaten des Umkreises - egal ob EU-Mitgliedern oder nicht - als zukunftsreiches Betätigungsfeld der österreichischen Außen- und Wirtschaftspolitik skizziert. Es gebe nämlich innerhalb der EU eine "Renaissance nationalstaatlicher Politik", sagte er in einer Grundsatzrede.
Das ist an sich keine großartige Erfindung, denn der rotweißrote Regionalismus hat bereits eine Geschichte, die bis zurück in den Kalten Krieg reicht. Eine neue Lage ergibt sich aber daraus, dass die Europäische Union in ihrem Reformvertrag mit einer gewissen Resignation die europäische Vielfalt anerkennt und ein in früheren Jahren eher diffamiertes "Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten" nun als realpolitische Tatsache hinnimmt und zu diesbezüglichen Aktivitäten sogar ermuntert.
Da ist einerseits die Möglichkeit, dass Staatengruppen innerhalb der EU eigene Kooperationsmodelle entwickeln, an denen sich nicht alle 27 Mitglieder beteiligen. Dass die Währungsunion im Euroraum und die Schengen-Grenzerleichterungen seit Jahren funktionieren, obwohl nicht alle dazu gehören, ermutigt zu aufgefächerter Kreativität. Sie trägt im Artikel 280 des Reformvertrages den Titel "Verstärkte Zusammenarbeit". Im ersten Absatz steht auch gleich, was nicht sein darf: "Weder den Binnenmarkt noch den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhang beeinträchtigen."
Unterhalb dieser streng und hypertroph ausgeschilderten Ebene bleibt es sowieso jedem Staat überlassen, seine bi- und multilateralen Interessen zu verfolgen. Auch die EU als Ganzes strebt unter dem Titel "Auswärtiges Handeln" den Ausbau der Beziehungen zu Drittländern und die Bildung von Partnerschaften an.
Für Österreich bedeutet die "Renaissance": Weitermachen auf dem schon bewährten Weg regionaler Quirligkeiten, die auch zum erstaunlichen Exporterfolg der vergangenen Jahre beigetragen haben. Zum Glück wird eine ganze Menge auf unternehmerischer Ebene erledigt, ohne dass der Staat viel davon merkt. Banken, Telekom-Gesellschaften, Versicherungen, Unternehmensberater, Umwelttechniker, Saubermacher - sie sind alle schon dort, wo sie jemand braucht.
Auf staatlicher Ebene tut man sich zumeist weit schwerer, weshalb der pompöse Festakt für 22 Kilometer Autobahn A6 nach Pressburg nicht vergessen lässt, dass an dem Projekt mehrere Jahrzehnte lang herumgedoktert wurde, bis es soweit war. Und dass es an anderen Ecken noch immer traurig aussieht. Die March-Grenze bei Hohenau im Weinviertel beispielsweise verfügt zwar über eine hochwassersichere Stahlbrücke, doch können die Autos diese leider gar nicht erreichen, sobald Hochwasser ist.
Auch die Psychologie darf nicht unterschätzt werden. Der Propagandabegriff "Vienna Region" wurde stillschweigend eingesargt, weil er zwar drei österreichische Landeshauptleute der "Ostregion" sowie alle dazu gehörigen Kammerfunktionäre und Ideenwälzer faszinierte, sicher aber nicht tschechische und slowakische Kooperationspartner.
Österreich lernt dazu.
Auch der Widerstand der Slowaken gegen die Privatisierung ihres Flughafens oder gar dessen Auslieferung an die österreichischen Kolonisatoren ist ein markantes Ereignis gewesen. Im Moment hat die OMV mit der Frage zu tun, ob sie von den von ihr erkorenen Partnern überhaupt als erträglich empfunden wird.
Kooperation ist immer gut - sie lässt sich aber nicht dekretieren. Und sie funktioniert nur, wenn alle wollen.