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Die EU geht gegen Umweltsünder vor

Von Waldemar Hummer

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Waldemar Hummer ist Universitätsprofessor für Europa- und Völkerrecht an der Universität Innsbruck. Foto: privat

Durch eine neue Richtlinie werden die Mitgliedstaaten der Europäischen Union verpflichtet, strafrechtliche Sanktionen für schwere Umweltverstöße vorzusehen.


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Die Reichweite der strafrechtlichen Kompetenzen der EG war lange umstritten. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stellte aber in seinem Urteil vom 13. September 2005 in der Rechtssache C-176/03 diesbezüglich klar, dass das Strafrecht und das Strafprozessrecht grundsätzlich nicht in die Kompetenz der EG fallen.

Die EG könne jedoch nicht daran gehindert werden, Maßnahmen in Bezug auf das Strafrecht der Mitgliedstaaten zu ergreifen, die erforderlich sind, "um die volle Wirksamkeit" der gemeinschaftlichen Umweltschutznormen zu gewährleisten.

Mit der Richtlinie 2008/99/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (Amtsblatt 2008, L 328/28) aktiviert die EG nunmehr diese in Artikel 175 Absatz 1 EG-Vertrag angelegte Kompetenz.

Damit trägt sie dem Umstand Rechnung, dass die bestehenden Sanktionsregelungen offensichtlich nicht ausreichen, um die effektive Einhaltung des gemeinschaftlichen Umweltrechts durchzusetzen. In den strafrechtlichen Sanktionen soll eine gesellschaftliche Missbilligung von einer qualitativ anderen Art zum Ausdruck kommen, als dies bisher bei verwaltungsrechtlichen Strafen oder zivilrechtlichen Schadensersatzleistungen der Fall war.

Die Richtlinie enthält lediglich Mindestvorschriften, sodass es den Mitgliedstaaten frei steht, strengere Maßnahmen für einen wirksamen strafrechtlichen Schutz der Umwelt zu erlassen.

Neun Umweltdelikte

Die Richtlinie 2008/99/EG ist am 26. Dezember 2008 in Kraft getreten und ist innerhalb von zwei Jahren umzusetzen. Sie verpflichtet die Mitgliedstaaten dazu, sicherzustellen, dass die in Artikel 3 vorgesehenen neun Umwelt-Straftatbestände mit wirksamen, angemessenen und abschreckenden strafrechtlichen Sanktionen geahndet werden.

Dabei handelt es sich unter anderem um folgende rechtswidrig und vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig begangene Umweltdelikte: Einbringung von Stoffen oder ionisierender Strahlung in Luft, Boden oder Wasser; Bewirtschaftung und Verbringung von Abfällen; Betreiben einer Anlage, in der gefährliche Stoffe verarbeitet werden sowie Herstellung, Bearbeitung und Beseitigung von Kernmaterial.

Diese Aktivitäten müssen allerdings so geartet sein, dass sie den Tod oder eine schwere Körperverletzung von Personen oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft-, Boden- oder Wasserqualität oder an Tieren oder Pflanzen verursachen können.

Des weiteren ist die Entnahme, Vernichtung oder der Handel mit Exemplaren geschützter wildlebender Tier- oder Pflanzenarten, die erhebliche Auswirkungen auf den Erhaltungszustand dieser Arten haben, verboten.

Hohes Schutzniveau

Auch wer eine erhebliche Schädigung eines Lebensraumes innerhalb eines geschützten Gebietes herbeiführt oder Stoffe verwendet, die zum Abbau der Ozonschicht beitragen, macht sich nach der Richtlinie strafbar.

In zwei Anhängen zur Richtlinie 2008/99/EG sind insgesamt 72 Richtlinien und Verordnungen aufgelistet, die entsprechende Bestimmungen enthalten, für die strafrechtliche Maßnahmen gelten sollen. Diese Bestimmungen belegen gleichzeitig auch den bereits erreichten Stand des von Artikel 174 Absatz 2 EG-Vertrag geforderten hohen Schutzniveaus der Umweltpolitik der EG.