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Die EU-Institutionen-debatte ist kein Selbstzweck

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.

Inhaltliche Vorstellungen sollten im Mittelpunkt der europäischen Reformdiskussion stehen.


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Nächstes Jahr wählen wir ein neues EU-Parlament. Auch die EU-Kommission wird danach neu bestimmt. Vor diesem Hintergrund werden auf EU-Ebene gerade die Modalitäten der Wahl des Kommissionspräsidenten sowie institutionelle Neuerungen diskutiert. Das EU-Parlament unterstützt etwa mehrheitlich das System der europaweiten Spitzenkandidaten, die sich für das Amt des Topjobs in der EU-Kommission im Rahmen der EU-Wahlen bewerben, während die Staats- und Regierungschefs sich das Heft nicht gänzlich aus der Hand nehmen lassen wollen.

Vielen scheinen diese systemischen Fragen abstrakt. Sie sind aber die Basis für eine dringend nötige und transparente Auseinandersetzung über die verschiedenen Zukunftskonzepte der europäischen Parteienfamilien und ihrer Spitzenkandidaten. Darüber, wer welche Lösungsansätze anbietet und wohin die Integrationsreise letztlich gehen soll.

In Österreich stehen einer aktuellen Umfrage der Gesellschaft für Europapolitik 45 Prozent der Bevölkerung dem Modell der Spitzenkandidaten an sich positiv gegenüber, während ein Drittel skeptisch ist. Ein Viertel kann sich noch keine Meinung dazu bilden. Vier von zehn Befragten sagen, es würde ihre Motivation erhöhen, an den EU-Wahlen teilzunehmen, wenn es dabei auch um den Kommissionspräsidenten ginge, für fast die Hälfte wäre das hingegen kein Ansporn.

Europäische Spitzenkandidaten haben also durchaus Potenzial, aber insbesondere auch ein gehöriges Maß an Erklärungs- und Diskussionsbedarf. Trotz des Testlaufs vor fünf Jahren sind sie heute kein Thema, das die breite Öffentlichkeit bewegt. Daher brauchen die Kandidaten für den Job des Kommissionspräsidenten diesmal mehr Vorlauf, sollten parteiintern früher gekürt werden und in allen Mitgliedstaaten präsent sein.

Fragt man in Österreich nach der künftigen Größe der EU-Kommission und einer möglichen Fusion der Spitzen von Rat und Kommission zu einem EU-Präsidenten, sind die Meinungen geteilt: 50 Prozent wollen, dass die Anzahl der EU-Kommissare gleich bleibt, 43 Prozent sind für eine kleinere Kommission, auch wenn dann nicht jedes Land immer einen Kommissar stellt. Für einen EU-Präsidenten sind 46 Prozent - dagegen sind fast ebenso viele, nämlich 41 Prozent.

Eine kleinere EU-Kommission wäre ein Signal an jene Kritiker, die eine effizientere Union einfordern. Ob allerdings die EU-Mitgliedstaaten wirklich auf einen eigenen Kommissar verzichten würden, ist ebenso offen wie die Frage, ob sich die Schlagkraft der EU-Exekutive durch Symbolik tatsächlich erhöhen lässt. Die Idee eines neuen EU-Präsidenten stößt zudem auf Widerstand der EU-Regierungschefs.

Die Weiterentwicklung der EU-Architektur ist die Grundlage einer besseren Zusammenarbeit. Die Öffentlichkeit erwartet sich allerdings weniger institutionelle Nabelschau, sondern insbesondere nachhaltige Antworten auf aktuelle Herausforderungen wie Migration, Sicherheit, Wachstum und Beschäftigung. Bis zur EU-Wahl im Mai 2019 muss die europäische Politik konkret werden: Die unterschiedlichen Integrationskonzepte gehören auf den Tisch gelegt und die drängenden Fragen in Angriff genommen.