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Die EU-Klimapolitik im Reality-Check

Von Paul Schmidt

Gastkommentare
Paul Schmidt ist Generalsekretär der Österreichischen Gesellschaft für Europapolitik.
© ÖGfE

Österreich sollte mit AKW-Betreiberstaaten über realistische Alternativen sprechen.


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Die EU und ihre Mitgliedstaaten haben sich darauf geeinigt, bis 2050 klimaneutral zu werden. Der Weg dorthin ist jedoch noch weit. Er ist jedenfalls von gänzlich unterschiedlichen Ausgangslagen und Herangehensweisen geprägt, denn der jeweilige Energiemix der EU-27 variiert deutlich und ist nach wie vor nationale Angelegenheit. Mittels der EU-Taxonomie, einer einheitlichen Nachhaltigkeitskategorisierung unterschiedlicher Energiequellen, sollen die EU-Saaten nun unterstützt werden, sich in Richtung gemeinsamer Klimaneutralität zu entwickeln. Als Orientierungshilfe zielt sie darauf ab, private Investitionen für klimafreundliche Energiegewinnung zu mobilisieren, um die ambitionierten EU-Klimaziele tatsächlich erreichen zu können.

Auch wenn es hierzulande nicht gefällt: Die Mehrheit der EU-Staaten ist der Meinung, dass Gas und Atomkraft unter bestimmten Bedingungen eine Rolle dabei zukommt, den Übergang zu einer überwiegend auf erneuerbaren Energien basierenden Zukunft zu ermöglichen. Die Gründe liegen auf der Hand: Aktuell betreiben 13 der 27 EU-Staaten etwa ein Viertel der weltweiten Atomreaktoren. In Belgien, Bulgarien, Finnland, Schweden, der Slowakei, Slowenien, Tschechien und Ungarn liegt der Nuklearanteil an der gesamten Stromgewinnung bei über einem Drittel. Frankreich erzeugt gar mit 56 Reaktoren an 19 Standorten fast drei Viertel des seines Stroms und will mit neuen AKW noch unabhängiger werden.

Entschiedene Atomkraftgegner sind Dänemark, Deutschland, Luxemburg Österreich, Portugal und Spanien: Sie sei weder wirtschaftlich noch nachhaltig. Insbesondere die ungeklärte Entsorgung von Atommüll bereitet Sorgen. Unter den Ländern, die sich für die Aufnahme von AKW in die Taxonomie aussprechen, gibt es eine Fraktion, die auch fossiles Gas als Übergangslösung unterstützt, etwa Polen. Aber auch für Deutschland, Griechenland, Zypern und Malta gilt Erdgas als wichtige Übergangstechnologie, um die noch umweltschädlichere Kohle loszuwerden.

Selbst wenn die EU-Kommission, von Rat und EU-Parlament dazu beauftragt, einen diesbezüglichen Rechtsakt als Kompromissvorschlag vorlegt - die Entscheidung über die konkrete Zusammenstellung der EU-Taxonomie obliegt letztlich den Mitgliedstaaten und EU-Abgeordneten. Zurückgewiesen werden kann der Kommissionsvorschlag aber nur von mindestens 20 der 27 EU-Länder oder einer einfachen Mehrheit im EU-Parlament. Kein leichtes Unterfangen also, wenn jene Staaten, die ihn ablehnen, aktuell in der Minderheit sind. Dabei ist es das gute Recht Österreichs und anderer EU-Länder, gegen ein EU-Nachhaltigkeitslabel für Atomkraft und Erdgas als Übergangstechnologien zu protestieren und letztlich auch den Klagsweg zu beschreiten.

Allerdings könnte man die Zeit besser nutzen, als sich alleine an der EU-Kommission zu reiben. Nichts spricht dagegen, insbesondere mit jenen Ländern, die nicht auf Kernenergie und Erdgas verzichten können, das Gespräch über konkrete und realistische Alternativen zu suchen. Das ist der wohl härtere, aber auch ehrlichere Weg. Mediale Empörung alleine wird nicht reichen, dem gemeinsamen Klimaziel näher zu kommen.