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Die EU-Partner streuen Spanien Rosen

Von Heike Hausensteiner

Europaarchiv

Voll des Lobes sind die EU-Partner über Spanien, das in der ersten Jahreshälfte die Geschicke der Union gelenkt hat. In einigen vollmundig angekündigten Punkten hat sich Premier Aznar als EU-Vorsitzender aber nicht durchgesetzt.


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Der Buslenker in Madrid ist entzückt über die österreichischen Euro- und Cent-Münzen. Sie kommen aus Österreich? "Ah, Europa", bemerkt er. Schließlich ist alles nördlich der Pyrenäen Gelegene weit weg. Von denkbar geringem Interesse ist in Spanien denn auch die geplante Erweiterung der Union. Anders als in Österreich oder Deutschland, die von den neuen Mitgliedsländern am meisten betroffen sein und laut Prognosen am meisten profitieren werden. Umso mehr würdigen die EU-14 das Engagement Spaniens in den Beitrittsverhandlungen. "Wir sind durchaus gut vorangekommen", so Bundeskanzler Wolfgang Schüssels Zwischenbilanz. "Im ersten Halbjahr dieses Jahres sind bei den Beitrittsverhandlungen entscheidende Fortschritte erzielt worden. Die Verhandlungen treten somit in ihre Schlussphase ein", wird in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Sevilla festgehalten.

Engagiert hat Ratspräsident Aznar, im Zivilberuf Wirtschaftswissenschafter, bei seinen EU-Partnern auch für die Weiterverfolgung der so genannten "Lissabon- Strategie" geworben: Bis 2010 soll die EU der weltweite größte und dynamischste wissensbasierte Wirtschaftsraum sein. Dazu sollen die Mitgliedsländer etwa ihre Abgabenquoten senken, mehr in Forschung und Entwicklung investieren und u.a. das Pensionsantrittsalter hin- aufschrauben.

Was sich in den Wirtschaftsfragen leise ankündigte, ist in der zuletzt heftig diskutierten EU-Einwanderungspolitik offen zu Tage getreten: die neue Allianz Spanien-Großbritannien, den unterschiedlichen Regierungsfarben zum Trotz. Die Regierungschefs der zwei Länder (die beide enge Kontakte zu den USA unterhalten) verfolgen im Kampf gegen die illegale Einwanderung einen harten Kurs und wollten Sanktionen für nicht kooperationswillige Drittstaaten durchsetzen. Dass ihnen das nicht gelungen ist, mussten der Konservative José María Aznar und der Labour-Premier Tony Blair beim Europäischen Rat in Sevilla, dem spanischen Abschlussgipfel, sichtlich zerknirscht zur Kenntnis nehmen.

Am Widerstand vor allem der kleineren Mitgliedstaaten - vorerst - gescheitert ist das Tandem Aznar-Blair auch in einer wichtigen Reformfrage: Damit die EU besser mit einer Stimme sprechen kann und mehr Kontinuität in der Politik erreicht wird, möchten Großbritannien und Spanien einen Präsidenten an der Spitze der Union sehen. Anstelle der derzeit halbjährlichen Rotation solle die EU zu Gruppen-Präsidentschaften übergehen, die im Verbund von mehreren Mitgliedstaaten ausgeübt wird. Die kleinen Länder haben das zu verhindern gewusst, weil sie um ihren Einfluss fürchten. Ein mehrjähriges Strategieprogramm (drei Jahre), das die Staats- und Regierungschefs künftig beim Europäischen Rat erlassen werden, ist hingegen beschlossene Sache.