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Die Delegationsleiterin der ÖVP im Europäischen Parlament, Ursula Stenzel, verwies nun im Gespräch mit der"Wiener Zeitung" auf die Gefahr, dass die EU-Sanktionspolitik die Gemeinschaft entzweien könnte. Gleichzeitig forderte sie, dass die EU in der Causa endlich "reinen Tisch" macht.
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"Wiener Zeitung": Die Idee eines "Europas der zwei Geschwindigkeiten" ist jüngst von Joschka Fischer und Jaques Delors, aber auch von Altbundeskanzler Franz Vranitzky immer mehr ins Spiel gebracht worden: Wie stehen Sie zu dieser Idee, Europa in Kern- und Randländer aufzuspalten?
Ursula Stenzel: Ich kann an sich der Diskussion etwas abgewinnen, aber dieser Idee herzlich wenig. Ich sehe darin den Versuch, die Europäische Union künstlich zu verkleinern und aufs neuerliche zu spalten. Wenn man so etwas zum Prinzip erhebt, so schreibt man es fest. Wir wollen uns erweitern. Wir verlangen von den Beitrittskandidaten, dass sie unseren Bedingungen entsprechen und dann sagen wir: Jetzt machen wir Kerneuropa - ich halte dies nicht für machbar.
"W. Z..": Zu den EU-Sanktionen. Einmal grundsätzlich: Wie müsste Ihrer Meinung nach die Strategie Österreichs gegenüber den EU-14 aussehen?
Stenzel: Sie müsste so aussehen, wie sie aussieht. So wie Bundeskanzler Schüssel die Linie vorgibt: Auf der einen Seite mit Selbstbewusstsein aufzutreten und der Öffentlichkeit klarzumachen, dass diese Sanktionen unrechtmässig sind und dass sie lieber heute als morgen aufgehoben werden sollten. Ich finde eine Strategie gut, die auch auf persönliche Kontakte - auf, wenn Sie so wollen, die gute alte Geheimdiplomatie - setzt und nicht mit Auftrumpfen verbunden ist, sondern darauf gründet, dass auch den Partnern in der EU bewusst werden soll, dass sie der Europäischen Union keinen guten Dienst erweisen. Man sieht ja das Abbröckeln der Front. Jetzt zeigt sich, dass nicht alle einer einheitlichen Meinung sind, was die Sanktionen gegenüber Österreich betrifft, das sich keinerlei Schuld zukommen hat lassen. Diese Regierung hat auch nicht die Absicht, je gegen den Vertrag, je gegen die Grundsätze der Demokratie und der Menschenrechte zu verstoßen. Das schafft natürlich Unbehagen in der Europäischen Union. Wenn ein Teil der Regierungen meint: Ja, da rührt sich eben nichts (wie es der französische Aussenminister wieder gesagt hat), aber doch einige andere finden, es sollte sich etwas rühren, heisst das, dass es innerhalb der Europäischen Union ohne unsere Schuld zu einem Konflikt kommt und das halte ich für nicht gut.
Bereit zu Überprüfung
Österreich ist ja auch absolut bereit, sich einer Überprüfung zu stellen, Nicht im Sinn, dass man ständig einer Beobachtungskommisssion unterliegt, aber warum sollte nicht die Europäische Kommission als Wächterin und Hüterin der Verträge, ähnlich wie die Europäische Volkspartei das tut, einen Bericht veranlassen? Einen Bericht, der ermöglicht, dass man Schritt für Schritt davon loskommt. Also ich sehe in Geheimdiplomatie auf der einen Seite, in einem konstruktiven Vorschlag auf der anderen Seite und in einer glaubwürdigen Politik als drittem Punkt eine Möglichkeit eines Ausstiegsszenarios.
"W. Z.": Von österreichischen Verfassungsrechtlern wird eine Klage erwogen. Wenn man einer APA-Meldung glauben darf, finden Sie das recht vernünftig. Aber kann man einem politischen Problem mit rechtlichen Schritten beikommen?
Stenzel: Ich teile die Meinung des Verfassungsjuristen Prof. Winkler - es gibt ja andere Verfassungsrechtler, die finden, dass zwar bilaterale Maßnahmen gesetzt wurden, die im Prinzip politische Symbolik sind. Aber man hat es ja über den Rat der EU gespielt. Man hat es auch der Ratspräsidentschaft auf offiziellem Papier mitgeteilt und de facto setzt man damit ein gewisses europäisches Recht. Man hat einen wesentlichen europäischen Rechtsgrundsatz missachtet - , dass man auch den anderen anhört und man hat auch die Funktion des Ratsvorsitzes dafür missbraucht. Das sind Dinge, die rechtliche Maßnahmen möglich erscheinen lassen und nicht nur politische.
"W. Z.": Was hat Österreich in Zusammenhang mit dem EU- Gipfel am 19. und 20. Juni in Portugal zu erwarten?
Stenzel: Das "Azoren-Hoch" ist schon irgendwie dagewesen. Zumindest ein laueres Lüfterl hat geweht. Man merkt, es bewegt sich etwas. Schon allein die Art und Weise, wie man mit unserer Außenministerin umgeht - also sich nicht mehr so sich ziert vor einem Foto mit ihr... Das sind Gesten, die zeigen, dass das alles in der Praxis ein bisschen durchlöchert ist. Die Frage ist nur, will man sich auch formell dazu bekennen, oder hat man diesen Mut nicht. Die EU braucht alles im Moment, nur nicht einen neuen Zwist. Im Moment sind sich die Mitgliedsstaaten in allen wesentlichen Dingen nicht einig: In der Regierungskonferenz ist bisher nichts weitergegangen, bei den sogenannten Institutionenreformen, die man seit Amsterdam vor sich herschiebt, hat man sich nicht bewegt. Auch bitte mit dem Euro: Unterschiedliche Auffassungen des deutschen und des französischen Aussenministers lassen nicht gerade auf ein sehr gut funktionierendes "Tandem" schließen. Also im Grunde genommen ist wirklich eine gewisse Stagnation in der Entwicklung der Europäischen Union zu bemerken und das bitte vor der Erweiterung; und dann noch ein Zusatzkonflikt, wie er im Falle Österreichs absolut aufbrechen kann. Viele "Kleine" fühlen sich nicht wohl - aber es sind nicht nur Kleine. So eine einheitliche Front ist es nicht und die Öffentlichkeiten in diesen Ländern sind über das undemokratische Verhalten mindestens irritiert, wenn nicht erbost. Das ist eine Belastung, die sollte man doch wegkriegen. Die EU sollte reinen Tisch machen, um sich den wichtigen, wesentlichen Fragen widmen zu können. Nicht Österreich. Wir sind verlässliches EU-Mitglied, wir stellen unsere Verpflichtungen nicht in Frage - das ist doch im Grunde ein Sekundärthema für die Europäische Union. Aber sie machen es zu einem Hauptthema und ich frage mich, wollen sie damit ablenken?
"W. Z.": Bei den Regionalwahlen in Italien haben Berlusconi und Fini sehr gut abgeschnitten. Welche Linie sollte die EU gegenüber Italien einschlagen, wenn die Mitte-Linksregierung plötzlich in ein Mitte-Rechts -Bündnis umschlägt?
Stenzel: Erstens: Berlusconi hat nicht nur Wahlen gewonnen: Die Mehrheit hat sich verändert, die Mehrheit in Italien ist bereits eine andere als im Parlament und im Senat.
Mitte-Rechts möglich
Zweitens: Das sind demokratische Parteien. Es muss in einem demokratischen Spektrum innerhalb der EU Mitte-Links genauso wie Mitte-Rechts möglich sein und ich kann mir in der EU niemanden vorstellen, der, sollte es zu einem Machtwechsel kommen, dieses Land ins Eck stellt. Berlusconi, ein Mitglied der Europäischen Volkspartei, hat klargemacht, dass er seine Prozesse gewonnen hat: Hinweise, es gäbe wahnsinnig viele Korruptionsfälle und er sei eine zwielichtige Figur, sind unhaltbar. Irgendwann muss sich die Europäische Union, auch wenn sie derzeit noch in ihrer Mehrheit sozialdemokratische Regierungen hat, dazu bequemen anzuerkennen, dass es auch andere Mehrheiten gibt, die demokratische Mehrheiten sind . . .