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"Die EU versteht den Balkan nicht"

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Unabhängiger Kosovo "muss verordnet werden". | Serbien "noch nicht für EUAnnäherung bereit". | "Wiener Zeitung":Der serbische Präsident Boris Tadic warnt im Falle einer einseitigen Unabhängigkeit des Kosovo vor neuen Turbulenzen in der gesamten Region. Ist das berechtigt?


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James Lyon: Nur wenn Serbien selbst Schwierigkeiten macht, wird es auch welche geben.

Kann Serbien eine Entscheidung des UN-Sicherheitsrats für eine Unabhängigkeit des Kosovo unter internationaler Aufsicht hinnehmen, wie es Martti Ahtisaari vorgeschlagen hat?

Es ist absolut unmöglich, dass Serbien irgendeine Resolution akzeptiert, die etwas mit der Unabhängigkeit des Kosovo zu tun hat. Es muss eine verordnete Lösung sein. Es gibt nichts, das die internationale Gemeinschaft Serbien geben könnte, um seinen Standpunkt zu ändern.

Könnte es nicht die serbische Einstellung positiv beeinflussen und die demokratischen Kräfte stärken, wenn die EU die Verhandlungen für ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen wieder aufnähme, ohne dass der vom UN-Tribunal in Den Haag gesuchte Ratko Mladic ausgeliefert wird?

Das wäre ein sehr schwerer Fehler. Das SAA ist der einzige Hebel, den die EU gegenüber Serbien hat. Wenn sie den aus der Hand gibt, würden die demokratischen Kräfte geschwächt und die nationalistischen gestärkt. Es würde so aussehen, als hätte Präsident Tadic einen Fehler gemacht, für die europäischen Werte einzustehen. Und es wäre ein Signal an die gesamte Region, dass europäische Standards gar nichts bedeuten und keines der Länder ihnen genügen muss. Der Eindruck wird entstehen, dass sie alle eines Tages der Union beitreten dürfen, ohne die notwendigen Reformen durchzuführen.

Arbeitet die serbische Führung weiterhin nicht ausreichend mit dem Haager Tribunal zusammen, oder ist sie einfach nicht in der Lage, Mladic zu fangen?

Serbien kann Mladic relativ einfach fangen. Es ist nur eine Frage des politischen Willens. Die erzählen uns seit 2001, dass sie nicht wissen wo er ist. Dabei war er die meiste Zeit in Belgrad. Noch Anfang 2006 haben mir (Premier Vojislav, Anm.) Kostunica nahe stehende Personen erzählt, sie wüssten genau wo er ist. Dass die Regierung auch heute behauptet, sie wüsste nicht, wo Mladic ist, hat keine Bedeutung.

Was kann die EU also tun, um Serbien zu helfen?

Die EU kann überhaupt nichts mehr tun. Das muss sie endlich verstehen. Es gibt das Sprichwort, dass man das Pferd zum Brunnen führen, aber nicht zum Trinken zwingen kann. Genau das trifft hier zu. Es heißt immer, Serbien werde in der Region isoliert. Niemand isoliert aber Serbien, außer es sich selbst. Da helfen alle Hilfsprogramme nichts. Schon heute ist die Glaubwürdigkeit der EU in der Region extrem gering, eigentlich gegen Null. wa Warum ist das so?

Schuld daran ist zu einem nicht geringen Teil, dass der Westen gegenüber Serbien immer und immer wieder Zugeständnisse macht, ohne eine Gegenleistung zu erhalten. Die EU versteht den Balkan nicht. Auch die Römischen Verträge hätten vor 50 Jahren nicht unterzeichnet werden können, wenn Grenzkonflikte zwischen Frankreich und Deutschland nicht ausgeräumt gewesen wären. In Bosnien, Serbien und im Kosovo ist da noch gar nichts erledigt. Die Klärung dieser Fragen wird immer an erster Stelle stehen. Und die EU ist noch in weiter Ferne. Sie mag in 20 Jahren relevant sein, aber sie hilft nicht, die nächsten Wahlen zu gewinnen.

Wenn Präsident Tadic sagt, die EU sei die oberste Priorität für die neue Regierung, dann glauben Sie ihm offensichtlich nicht.

Aber es gibt ja noch gar keine Regierung. Es könnte immer noch Neuwahlen geben.

Ist die Glaubwürdigkeit der Union nicht auch in Gefahr, wenn die versprochene Zukunft des Westbalkans in der EU jetzt um 20 Jahre aufgeschoben würde?

Ist die EU ein Imperium, das Länder erobert und zwingt ihr beizutreten?

Nein.

Was soll man also mit Ländern wie Serbien oder Bosnien machen, die sich nicht verändern wollen? Sie können sie nicht dazu zwingen. Die EU basiert auf freiwilliger Mitgliedschaft. Sie muss also geduldig sein, und warten bis die politische Situation sich so verändert, dass diese Länder bereit sind, beizutreten.

Aber was ist mit den viel zitierten Anreizen zu Reformen durch den Ausblick auf eine Zukunft in der EU?

Das ist nett, aber es funktioniert in der Praxis hier nicht. Was die EU nicht versteht ist, dass im restlichen Osteuropa in der letzten Zeit kein Krieg geführt wurde. Aber im ehemaligen Jugoslawien hat es zwei Kriege gegeben und es wurden furchtbare Kriegsverbrechen verübt. Leute, die diese Kriegsverbrechen begangen haben, sitzen immer noch in machtvollen Positionen in der Polizei und der Armee. Diese Länder kämpfen immer noch die Kriege der 1990er Jahre. Damit werden sie nicht aufhören, bis alle territorialen Angelegenheiten geregelt sind. Und bis dahin, werden sie nicht an der europäischen Integration arbeiten - egal, wie sehr Sie sich das wünschen. Es tut mir leid, wenn ich so pessimistisch bin, aber das ist die Realität.

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