Wahlen sind Auswahl unter begründeten Vorschlägen durch die Wähler. Diese erhalten aber weder von den Kandidaten noch von den Parteien die nötigen Informationen, es werden bloß Bilder von Parteigrößen und einige Sprüche präsentiert.
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Wie sollten die Parteien und ihre Kandidaten zur EU-Wahl ihre Informationspflicht gegenüber den Wählern erfüllen? Vorerst durch eine Stellungnahme zur noch immer offenen Grundsatzfrage "Europa der Vaterländer" (das die Gründerväter Konrad Adenauer, Alcide de Gasperi und Robert Schuman wollten) oder "Europa der Institutionen" mit dem unausgesprochenen Ziel eines europäischen Bundesstaates (woran zuletzt José Manuel Barroso und die EU-Kommission ohne Wählerauftrag weiter gebaut haben).
Die Befürworter des europäischen Bundesstaates meinen, durch das Zerschlagen der Nationalstaaten auch alle integrationshinderlichen Sonderwünsche an die Gemeinschaft automatisch eliminieren zu können. Aber die wirtschaftlich erfolgreichen Regionen Europas werden vom Wegfall der nationalen Klammern profitieren. Es würden dann mehr regionale statt der wegfallenden nationalen Akteure mit unterschiedlichen Interessen auftreten.
Viele österreichische Kandidaten wollen uns vormachen, dass Österreich gar keine nationalen Interessen habe, die man in Brüssel verteidigen müsste. Man könne sofort Souveränität und Vetorecht aufgeben. Das Beibehalten des zweiten Standorts des EU-Parlaments in Straßburg ist aber ein Beispiel für durchgesetzte französische Interessen.
Zum Bereich der Grundsatzfrage gehört auch die Behauptung, dass nur Integrationsvertiefung jene haltbaren europäischen Strukturen schaffe, mit deren Hilfe die Arbeitslosigkeit erfolgreich bekämpft, die Wirtschaft angekurbelt, das Staatsschuldenproblem ohne neuerliche Belastung der Steuerzahler gelöst und die Banken rekapitalisiert werden könnten. Aber für den europäischen Schutzschirm ESM genügte ein völkerrechtlicher Vertrag außerhalb des europäischen Regelwerks.
Bei der Lösung der vielen dringenden Probleme in Europa ist das Europäische Parlament unbedeutend, das Recht zum Einbringen von Gesetzesvorschlägen hat nur die EU-Kommission, Strukturfehler ändern können nur die Räte durch Änderung der EU-Verträge, und viele Aufgaben fallen noch gänzlich in die nationale Kompetenz. Europa ist noch Baustelle.
Das wichtigste Recht der Mitglieder des EU-Parlaments ist die Zustimmung zur Verwendung der Mittel aus dem EU-Budget. Die Wähler glauben aber, mit ihrer Stimme mitzuentscheiden, wie die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in Europa, die Änderung der Entwicklungshilfe - besonders für Afrika -, die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik oder der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik aussehen wird. Das ist falsch. Das EU-Parlament muss auf die Vorschläge der EU-Kommission warten. Wie auch immer die Wahlen am 25. Mai ausgehen, die Regierungsvertreter der großen Mitgliedstaaten werden den größten Einfluss bei der Lösung der genannten Probleme haben und dabei auch nationale Interessen verfolgen, die sie als Gemeinschaftspolitik verkaufen werden.