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Die EU würde vom Beitritt der Türkei stark profitieren

Von Veronika Gasser

Europaarchiv

Die EU würde vom raschen Beitritt der Türkei profitieren. Das geht aus einer Studie der Bank Austria-Creditanstalt (BA-CA) hervor, die gestern im Rahmen der Euromoney-Konferenz vorgestellt wurde. Schon jetzt ist der Staat mit seinen 70 Millionen Einwohnern der sechstgrößte Importeur von EU-Waren. Neben Gas- und Ölvorkommen sind die gigantischen Wasserreserven von 240 Mrd. Kubikmetern ein wichtiger Schatz, der in den nächsten Jahren enorm an Bedeutung gewinnen wird.


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Die türkische Volkswirtschaft wird in den kommenden Jahren stärker wachsen als andere in der Region, davon geht Willi Hemetsberger, Vorstand der BA-CA, aus. Das Wachstum könnte 2005 bei mehr als 5% liegen und 2006 nachhaltig auf 6% steigen.

Die strikte Fiskalpolitik der Regierung in Ankara habe schon jetzt ihre Wirkung gezeigt. Die Inflationsrate konnte von 30% im Jahr 2002 auf 9% in diesem Jahr gesenkt werden. BA-CA-Experte Simon Quijano-Evans, prognostiziert ab 2009 eine Inflationsrate von 4%. Und dies werde Ankara dazu bringen, dass es schon nach vier Jahren die Maastricht-Kriterien erfüllt und die Verschuldung auf weniger als 60% des BIP drosselt. Wichtig sei es laut Quijano-Evans, die Schattenwirtschafts einzudämmen, sie trägt 30 bis 40% zum BIP bei. Die BA-CA-Experten gehen jedenfalls davon aus, dass der Beitritt der Türkei mit 19 bis maximal 43 Mrd. Euro pro Jahr leistbar ist.

Die BA-CA ist schon seit vier Jahren mit ihrer Investment-Tochter CA-IB auf dem türkischen Markt präsent und hat Interesse zu expandieren. So hat die CA-IB bei einigen Privatisierungen und Börsegängen (Turkish Airlines, Tüpras, Denizbank, Garanti-Bank) mitgewirkt. Diese Aktivitäten will das heimische Institut verstärkt verfolgen, so Hemetsberger. Ob die BA-CA in der Türkei auch ins Privatkundengeschäft einsteigen will, wollte er nicht verraten.

Bankenprivatisierung

Mit Argusaugen wird jedoch die ab diesem Jahr anlaufende Privatisierung der drei Staatsbanken Ziraat Bank, Halk Bank und Vakifbank, die über ein Drittel der gesamten Aktiva (53 Mrd. Euro) verfügen, beobachtet. Der Verkauf soll mit der Vakifbank starten, so Quijano-Evans. Derzeit sind 49 Kreditinstitute in der Türkei vertreten, abgesehen von den ausländischen Banken sind es durchwegs Gründungen großer Industrie-Clans. Generell hatte der Finanzsektor in den letzten Jahren mit Schwierigkeiten zu kämpfen, deshalb wurde die Aufsichtsbehörde mit der Bereinigung des Bankensektors betraut.

Dieses Jahr sollen auch noch die Türkische Telekom, der Erdölverarbeiter Tüpras, einige Stahlunternehmen und der Alkohol- und Tabakmonopolist Tekel an Private veräußert werden. Die CA-IB hofft, wieder mit von der Partie zu sein und an der Privatisierungsoffensive gut zu verdienen. Doch die Angelegenheit könnte sich durchaus noch schwierig gestalten. So musste der Verkauf von Tüpras wegen des großen Widerstandes der Arbeitnehmervertreter auf Eis gelegt werden. Der geplante Verkauf an das türkisch-russische Konsortium, bestehend aus Zorlu Gruppe und Efremov Kautschuk, wurde vorerst verhindert. Auch der Tekel-Deal hätte schon letztes Jahr über die Bühne gehen sollen, scheiterte dann aber mangels attraktiver Angebote.

Steuersenkung der Neuen

Die neuen EU-Mitglieder werden auch in den nächsten Jahren ihre Steuern senken. Davon gehen die Finanzminister der Slowakei, Polen und Ungarn aus. Viktor Orban, früher ungarischer Regierungschef und jetzt Oppositionsführer, ist ebenfalls von der Notwendigkeit des Steuerdumpings überzeugt, um gegenüber den alten EU-Staaten wettbewerbsfähig zu bleiben. Ungarns Finanzminister Tibor Draskovics betont, dass Umsatz- und Lohnsteuer in dieser Legislaturperiode gesenkt werden. Eine Senkung der Umsatzsteuer will auch Polen vornehmen. Ivan Miklos, Finanzminister der Slowakei, will nach Einführung der Flat Tax die Abgaben weiter senken. Er freut sich über steigende Steuereinnahmen.