Zum Hauptinhalt springen

Die EU zum Sozialstaat entwickeln

Von Veronika Gasser

Europaarchiv

Im Gedenken an den großen Staatsmann und SPÖ-Langzeitkanzler Bruno Kreisky fand im Bruno-Kreisky-Forum zum Thema "In Europa regieren - modern und menschlich zugleich" eine Diskussionsveranstaltung statt, die sich auf die Rolle der Sozialdemokratie im Staatenbund konzentrierte. Die ehemalige Villa des Kanzlers war anlässlich seines 10. Todestages von sozialdemokratischen Prominenten aus Österreich und Deutschland sowie zahlreichen Kreisky-Fans besucht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 24 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Aus Deutschland war die stellvertretende SPD-Vorsitzende Renate Schmidt gekommen, um die Grüsse von Kanzler Gerhard Schröder und der deutschen Sozialdemokraten zu übermitteln. In Erinnerung an die Kreisky-Ära betonte sie: "Die EU ist durch die wichtige Stellung der Sozialdemokraten nicht nur vom gemeinsamen Markt, sondern auch von der Idee des Sozialstaates getragen. Dazu gehört das Recht auf Arbeit". Dabei erinnerte sie an die wichtige Rolle, die Kreisky als Leiter eines internationalen Forums für Beschäftigungsfragen leistete. Denn, so Schmidt, "auf Arbeitslosigkeit lässt sich kein gemeinsames Staatengefüge bauen. Die Scharen der Arbeitslosen werden sonst leicht zum Futter von politischen Rattenfängern".

Alfred Gusenbauer, seit Februar in die Fußstapfen Kreiskys als Parteivorsitzender getreten und vor der schweren Aufgabe, die Richtung der SPÖ neu zu definieren, betonte: "Die Sozialdemokratie ist heute gefordert, andere Antworten auf die sozialen Probleme zu entwickeln als im Jahr 1970 - denn das Leben der Menschen hat sich grundlegend verändert". Unsere Gesellschaft ist für den SP-Vorsitzenden geprägt von: Einer wachsenden Zahl der Single-Haushalte, einem hohen Anteil der Wohnbevölkerung, der nicht in Österreich geboren wurde, einem veränderten Umgang mit Medien aufgrund der wachsenden Bedeutung der Informationstechnologie und neuer Kommunikationsformen, bei gleichzeitiger Entstehung eines neuen Analphabetismus. "Wir brauchen vorerst eine solide gesellschaftliche Analyse der Verhältnisse und müssen dann ein Programm erstellen, das den Modernitätsansprüchen unserer Zeit entspricht", so der Parteichef.

Deshalb ist für ihn die Politik gefordert, den Menschen mehr Chancen zu bieten, um das Leben zu verbessern. Und "diese Chancengesellschaft" zeichnet sich vor allem dadurch aus, dass sie es allen möglich macht, an Aus- und Weiterbildung teilzuhaben. "Schule und Universität sind für die Herausforderungen unserer Zeit nicht mehr genug. Wir müssen neue Formen des lebenslangen Lernens organisieren und den Menschen zur Verfügung stellen", definiert Gusenbauer die Aufgaben der Zukunft. Die Instrumente der alten Verteilungspolitik können nicht mehr alleine Gerechtigkeit schaffen.

Für dieses Zurücknehmen klassisch sozialdemokratischer Positionen erntete Gusenbauer Kritik von seinem deutschen Kollegen Thomas Meyer von der SPD-Grundwertekommission: "Wenn die Sozialdemokratischen Parteien aufhören, sich für soziale Absicherung einzusetzen, dann hören sie auf Sozialdemokraten zu sein". Die bloße Errichtung einer Chancengesellschaft sei zu wenig, die Gewährleistung der sozialen Absicherung müsse zentraler Punkt der Politik bleiben. Damit sei die Sozialdemokratie gefordert, aus Europa einen Sozialstaat zu entwickeln. Der Politologe Anton Pelinka stellte folgende Forderung auf: Die Sozialdemokratie soll zur ersten europäischen Partei werden und den neuen Staat EU gestalten. Aber sie muss aber über den europäischen Rand blicken, "denn sie ist zum ersten Mal wirklich gefordert internationale Solidarität zu zeigen".

Für die Zukunft der EU gilt für Pelinka: "Wenn wir eine europäischen Demokratie wollen, so dürfen wir nicht dem Privileg des kleinen Staates beharren, sondern müssen auf das Instrument des europäischen Parlamentarismus wirklich umsetzen", da der Nationalstaat zusehends an Einfluss verliere.