Deutschland und Co. distanzieren sich scheibchenweise von der Bankenunion.
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Deutschland will künftig also nur gesunde Banken retten. Man könnte leicht in Sarkasmus verfallen, wäre das Thema nicht so brisant. Die Fraktionen der Regierungsparteien CDU/CSU und FDP fordern von der Regierung in Berlin, dass in die europäische Bankenunion nur Geldhäuser mit quasi "besenreiner" Bilanz zugelassen werden. Ein Stresstest soll sicherstellen, dass die strengere EZB-Aufsicht sich nur über solide Banken erstreckt - Institute, von denen Risiken ausgehen könnten, müssten zuvor national aufgefangen werden. Diesen Entschließungsantrag wollten sie am Donnerstagabend verabschieden.
Einmal ganz abgesehen von der Frage, welche Bank derzeit schon restlos saubere Bilanzen vorweisen kann: Damit wird die Intention der EU-Bankenunionspläne komplett unterlaufen. Diese sollte den verhängnisvollen Konnex auflösen, wonach Bankpleiten wie ein Mühlstein auch die jeweiligen Staatsfinanzen in den Abgrund reißen - mit einer langfristigen und einer kurzfristigen Perspektive. Auf lange Sicht sollte eine einheitliche, strenge EZB-Aufsicht dafür sorgen, dass Banken a) tunlichst nicht pleitegehen und b) wenn, dann möglichst ohne Kosten für Staat und Steuerzahler abgewickelt werden.
"Friendly fire" killt mühsam errungene Harmonie
Kurzfristig ist das aber nicht möglich. Da die Probleme aber jetzt akut sind, sollten marode Banken Kapitalzuschüsse direkt aus dem dauerhaften Euro-Rettungsfonds ESM erhalten können - ohne Umweg über das Staatsbudget. Damit wurde die Bankenrettung zumindest teilweise auf die europäische Ebene gehoben und vergemeinschaftet - schließlich sollte die Bankenunion ja ein regulatorisches Äquivalent zur europaweit eng vernetzten und grenzüberschreitend tätigen Finanzindustrie sein. Zugleich wollte man den besagten Mühlstein loswerden: Was einen Staat alleine in die Tiefe reißt, können alle gemeinsam viel einfacher stemmen. Bisher erhöhten Bankenrettungen nämlich den Schuldenstand von ohnehin schon finanziell angeschlagenen Ländern. Der Währungsfonds (IWF) und viele Experten hatten die Entkoppelung deshalb monatelang vehement gefordert.
Als politische Bedingung wurde im Gegenzug die Einrichtung der strengeren EZB-Aufsicht vereinbart: Erst wenn diese startklar sei, wären die Bankenhilfen möglich. So weit die Beschlüsse des EU-Gipfels der Staats- und Regierungschefs vom 29. Juni.
Doch jetzt droht sich nicht nur der Start der EZB-Bankenaufsicht endlos zu verzögern - die Triple-A-Staaten Deutschland, Niederlande und Finnland wollen auch sonst nicht mehr viel von den Gipfelbeschlüssen wissen. Offenbar dämmert den Verantwortlichen mit einigen Wochen Verzögerung, dass sie einer gemeinsamen Bankenrettung zugestimmt haben - und sie bekommen Angst vor der eigenen Courage.
Das Nicht-mehr-ganz-Triple-A-Land Österreich schließt sich übrigens mit einem Tag Verzögerung ebenfalls dem Hardlinerblock an: "Es kann bei der Rekapitalisierungsmöglichkeit von Banken aus Sicht Österreichs nicht darum gehen, dass der ESM einfach den Altbestand aller existierenden problembehafteten Assets bzw. die Bad Banks in diversen Nationalstaaten übernimmt", heißt es aus dem Finanzministerium zur "Wiener Zeitung". Diese Verantwortung solle bei den Nationalstaaten bleiben.
ESM nur als "Backstop" für bereits sanierte Banken?
Die Rekapitalisierung aus dem ESM hingegen sollte "nur für umstrukturierte (das heißt von diversen Altlasten unter Einbeziehung der Eigentümer) befreite, lebensfähige Banken erfolgen." Erst dann könne der ESM als ultimativer Backstop zum Einsatz kommen. Soweit das Finanzministerium in Wien.
Nur: Dann wird der ESM idealerweise nicht mehr gebraucht - wichtig wäre er jetzt. Berlin, Wien und Co. sind wieder einmal damit beschäftigt, Krisen von übermorgen zu lösen, während links und rechts gerade die Wände einstürzen. Für die spanische Bankenhilfe kommen der ESM und die Bankenunion ohnehin zu spät - die Finanzhilfe von bis zu 100 Milliarden Euro wird noch aus dem aktuellen Schirm EFSF fließen und über den spanischen Bankenrettungsfonds laufen müssen.
So weit, so schlecht. Das wirklich fatale Signal in Richtung Märkte ist aber, dass die Eurozone weiterhin keinen funktionierenden Abwicklungsmechanismus für die gegenwärtigen Bankenprobleme hat. So wird das über Monate mühsam gewonnene Vertrauen der Märkte binnen weniger Tage verspielt.