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Die Europa-Kritik wird zur letzten Hoffnung für die deutschen Liberalen

Von Walter Hämmerle

Analysen

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Sagen wir so: Die Botschaften, die die Wähler derzeit an ihre Politiker senden, könnten durchaus deutlicher sein. Momentan ist es tatsächlich einigermaßen schwierig, einen roten Faden in den ganz zweifellos von unergründlicher Weisheit getragenen Voten der Bürger zu entdecken.

In Dänemark hat das Wählerkollektiv gerade der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei ihre wirkmächtige Rolle als Zünglein an der Waage entzogen. Der eigentliche Stimmenverlust der gegenüber Islam und Einwanderern kritischen Partei hielt sich allerdings in Grenzen.

Gleichzeitig erzielte die Partei der neuen sozialdemokratischen Premierministerin ein historisch schlechtes Ergebnis. Zu verdanken ist der Machtwechsel den Zugewinnen der linken Parteien, die sich als Gegenpol zu den Rechtspopulisten präsentierten.

In Deutschland dagegen scheint der bereits kurz nach seinem Amtsantritt schon schwer angeschlagene neue Chef der Liberalen endlich ein Rezept gefunden zu haben, das seine Partei doch noch vor dem parlamentarischen Verschwinden zu retten verspricht. Die einstige Europa-Partei FDP schwenkt in ihrer Not nun auf einen EU-kritischen Kurs um. Den Konflikt um den Kurs von Kanzlerin Angela Merkel bei der Euro-Rettung nimmt die FDP dabei gerne in Kauf - politisches Profil in der Mediengesellschaft gewinnt schließlich nur der, der sich mit den Starken anlegt.

Das Konzept könnte aufgehen, zumindest attestieren jüngste Meinungsumfragen den Liberalen erstmals seit Monaten einen leichten Aufwärtstrend. Selbst wenn dieser Lichtstreif am liberalen Horizont zu spät für die Berlin-Wahl am Sonntag kommen sollte, dürfte der neue Kurs der FDP wohl festgelegt sein.

Jahrelang wurde in Österreich die FPÖ aufgefordert, sich die FDP als Vorbild zu nehmen - und nun geschieht es umgekehrt. Und es ist nicht auszuschließen, dass - sollte die FDP in der Opposition gegen die eigene Regierung verharren - auch die Berliner Koalition ihr Knittelfeld erlebt und Merkel daraufhin den Absprung sucht. Die FDP, einst Sinnbild für flexible Regierungsfähigkeit, hätte dann ihr neues Heil als Oppositionspartei gefunden.

Und Österreich? Hier bleibt abzuwarten, wie sich die derzeit zu verhandelnden Affären und Verdachtsmomente auf die Stärke der einzelnen Parteien niederschlagen. Vor allzu großen Erwartungen sei jedoch gewarnt: Die Wähler suchen in ganz Europa nach Ventilen, ihrem aufgestauten Ärger abzulassen. Und davon profitiert in aller Regel, wer nicht in der Regierung sitzt.