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Die Teilnahme des Bundeskanzlers Alfred Gusenbauer an dem fünften EU-Lateinamerika- Gipfel in Lima ruft Lateinamerika als wachstumsfähigen Exportmarkt der EU in Erinnerung.
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Die Beziehungen zwischen der EU und Lateinamerika sind ökonomisch durch folgende Eckdaten geprägt: die EU ist der größte Geber von staatlicher Entwicklungshilfe, ebenso wie der größte Kapitalinvestor und auch - nach den USA - der zweitgrößte Handelspartner für diesen Kontinent. Während aber Lateinamerika mit der EU circa 20 Prozent seines Außenhandels abwickelt, liegt der Anteil Lateinamerikas am EU-Außenhandel lediglich bei rund fünf Prozent.
Die rund 160 Milliarden Dollar Handelsaustausch entsprachen 2007 gerade einmal dem Handelsvolumen der EU mit der Schweiz. Auch im österreichischen Außenhandel nehmen Lateinamerika und die Karibik einen verschwindend geringen Anteil ein, der unter einem Prozent liegt.
Zerfallene Region
Das Problem im EU-Lateinamerika/Karibik-Handel liegt darin, dass Lateinamerika und die Karibik wirtschaftlich keine homogene Region darstellen, sondern vielmehr in mehrere (sub-)regionale Integrationszonen wie die Karibische Gemeinschaft (Caricom), das Zentralamerikanische Integrationssystem (Sica), den Mercosur und die Anden-Gemeinschaft zerfallen.
Seit 1999 finden in Zwei-Jahres-Abständen regelmäßige EU-Lateinamerika-Gipfelkonferenzen (Eulac) statt, die zu einer "strategischen Partnerschaft" zwischen der EU und Lateinamerika - zwei Wirtschaftsräumen mit je 500 Millionen Einwohnern - führen sollen. Bisher ist dieser privilegierte Status von der EU formell aber lediglich Brasilien eingeräumt und vor kurzem auch Mexiko angeboten worden.
An dem gegenwärtigen fünften Eulac-Gipfel vom 15./16. Mai 2008 in Lima nahmen rund 60 Staats- und Regierungschefs aus Europa, Lateinamerika und der Karibik teil und diskutierten laut Aussage der für die Außenbeziehungen der EU zuständigen Kommissarin Benita Ferrero-Waldner drei große Themenbereiche, nämlich Fragen der sozialen Kohärenz, des Klimawandels und der Energiesicherheit. In der anschließend verabschiedeten "Lima Declaration" werden auch Fragen der wirtschaftlichen Kooperation angesprochen, wobei Lateinamerika als ein wichtiger wirtschaftlicher Hoffnungsmarkt der EU für den Bezug von Primärprodukten und Energie gesehen wird. Es geht dabei auch um die Erwünschtheit europäischer Auslandsinvestitionen in Lateinamerika.
Geldsendungen
Die in diesem Zusammenhang erkannte Unterkapitalisierung Lateinamerikas soll nur an einem einzigen signifikanten Beispiel veranschaulicht werden, das beinahe unglaublich klingt. Die Geldsendungen von lateinamerikanischen Auswanderern in ihre Heimatländer, die sogenannten Rimessen, überstiegen im Jahr 2007 mit 66,5 Milliarden Dollar den Gesamtbetrag an Entwicklungshilfe (10 Milliarden Dollar) und Netto-Direktinvestitionen (55 Milliarden Dollar), die dieser Region zugute kamen.
Im Klartext bedeutet das, dass von den schätzungsweise 30 Millionen Lateinamerikanern, die in den letzten Jahren ihre Heimat in Richtung USA, Europa oder auch Japan verlassen haben, jeder Einzelne im Durchschnitt 2128 Dollar pro Jahr nach Hause gesendet und damit das größte "Entwicklungshilfeprogramm" für Lateinamerika finanziert hat.
Rund zwei Drittel der Rimessen stammen aus den USA, der Rest mehrheitlich aus Europa, vor allem aus Spanien und Italien. Die Hauptempfängerländer sind Brasilien und Mexiko. Mit seiner durchschnittlichen Wachstumsrate von sieben Prozent (2007) könnte Lateinamerika diesen Trend aber bald gestoppt haben.
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