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Die Europäische Union will künftig Stromimporte aus Russland ermöglichen

Von Veronika Gasser, Prag

Wirtschaft

"Der Strombedarf innerhalb der EU-15 steigt, und die Stromindustrie wird darauf reagieren müssen." Verbund-Vorstand Hans Haider macht in seiner Funktion als Präsident von Eurelectric, dem Verband der Europäischen Stromindustrie, Druck. "Es ist notwendig, dass wir uns um dieses Thema rasch kümmern, denn durch die Liberalisierung ist die E-Wirtschaft eine normale Branche geworden. Bei Verknappung werden die Preise steigen, dann brauchen wir größere Kraftwerke."


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Derzeit seien 600.000 MW installierte Leistung vorhanden, doch in den nächsten 30 Jahren müssten mindestens Kraftwerke im Ausmaß von 300.000 MW umgerüstet werden, zusätzlich werde der Bedarf nach ebenso viel neuer Kapazität entstehen. Durch die zehn neuen Beitrittskandidaten werde sich die Angebotsseite kaum verbessern, weil auch dort die Nachfrage nach Energie im Steigen sei, sagte Haider gestern bei der diesjährigen Eurelectric-Tagung in Prag, die sich dem Thema Energie und EU-Erweiterung widmet.

EU-Kommission macht Druck auf Erzeuger

Die Lösung besteht für Haider einerseits im Bau neuer Kraftwerke und in der Schaffung einer Netzverbindung mit Russland. Das Land sei reich an Ressourcen, sonst aber arm und damit auf den Export jedweder Art angewiesen. Die EU-Kommission mache übrigens in dieser Sache Druck auf die europäischen Stromerzeuger, damit diese die Verbindung so schnell wie möglich herstellen. Voraussetzung seien technisch einwandfreie Schnittstellen. Bis 2008 wäre das Unterfangen zu bewältigen, aber im Falle von merkbarer Stromverknappung steht für den Verbund-Chef außer Frage, dass die europäisch-russische Stromverbindung auch rascher entstehen wird. "Wenn es eng wird, geht es bekanntlich rascher als unter normalen Umständen." Eurelectric jedenfalls forciere dieses Projekt. Die Erzeugung in Russland erfolgt zu 66% in Kohle- und Gaskraftwerken, zu 18% aus Wasserkraft und zu 16% in Atomkraftwerken. Schon jetzt ist die Föderation ein gewichtiger Stromexporteur.

Haider vermutet auch, dass Russland von sich aus mit seinem Strom nach Westen drängen wird. Die Stromimporte könnten im schlimmsten Fall mit den Gaslieferungen junktimiert werden. Aus dieser Abhängigkeit vom russischen Erdgas gelte es herauszukommen. Wie das passieren soll, ließ Haider jedoch unbeantwortet.

Die Energiegewinnung aus erneuerbaren Quellen ist für den Eurelectric-Präsidenten jedenfalls keine passable Alternative. Die Windenergie schaffe Probleme fürs Netz, und bei Biomasse hätte "man sofort einen Krieg mit der Papierindustrie". Die Atomstromdebatten hält er für Nonsens. "Ich verstehe das Problem nicht, Strom hat kein Mascherl. Auch Atomstrom ist Strom." Außerdem ist er zuversichtlich, dass das österreichische Atomstromimportverbot bald Vergangenheit sein wird. Es gebe bereits eine EU-Aufforderung, diese Regelung aufzuheben.

Handlungsbedarf

in Österreich

Auch in Österreich sieht er Handlungsbedarf, wenn in spätestens drei Jahren das Kohlekraftwerk Voitsberg vom Netz genommen werde. Doch die 330 MW müßten irgendwann ersetzt werden. Eine kleinere Anlage würde sich nicht rechnen, daher erwägt der Verbund ein Gaskraftwerk - "nicht unter 400 MW, am besten im Süden Österreichs" - zu errichten. Ein Ausbau am Standort Voitsberg kommt wegen der ungünstigen Lage nahe des Krankenhauses nicht mehr in Frage.

Die Beitrittskandidaten seien im Stromsektor unterschiedlich gerüstet. Bei der Liberalisierung seien manche schon weiter als die EU-15, andere lägen zurück. "In Polen funktioniert aus meiner Sicht rein gar nichts, obwohl der Markt geöffnet wurde." Das Problem seien die langfristigen Verträge mit der Kohleindustrie, die nur "mittels Kraftakt" zu lösen seien. Gute Noten bekommt Slowenien. Ein Nachbarland, in das der Verbund bereits investiert hat und mit Strom beliefert. Hier wären weitere Investitionen vorstellbar.

Harsche Kritik erntet Toni Marsh, Direktor für Energie der EBRD. Dieser hatte gefordert, dass sich die Energiewirtschaft ihre Investitionen mittels langfristiger Verträge absichern solle. Gerade solche Verträge des Verbundes mit den Landesversorgern wurden in Österreich aber von der Regierung aufgehoben. Haider zeigt wenig Verständnis für den Marsh-Vorschlag. "Wir brauchen diese Banken nicht, wenn sie auf absolute Absicherung abzielen. Denn eigentlich sollten sie es sein, die diese Investitionen absichern."