Wenn gegen ein Unternehmen ein Ausgleichs- oder Konkursverfahren eröffnet wird, wer trägt die Hauptlast? Diejenigen, die Forderungen gegen die Pleitefirma haben: die Gläubiger.
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Die meisten Kommentatoren in "Financial Times" und "Economist" halten Griechenland nicht bloß für vorübergehend illiquid, sondern für insolvent. Schwache Konkurrenzfähigkeit (15 Prozent Leistungsbilanzdefizit!), Korruption, keine Steuermoral, dazu ein beispiellos scharfes Austerity-Programm; die Wachstumsrate für 2010 wurde von minus 0,4 auf minus 4 Prozent korrigiert, und bestenfalls pendelt sich die Verschuldungsquote um 2015 bei 140 Prozent des BIP ein. Das 110-Milliarden-Euro-Paket von EU plus IWF deckt Griechenlands (Brutto-)Kreditaufnahme bis Anfang 2012 ab. Und dann?
"Preemptive restructuring" ist angesagt: das heißt Erstreckung der Tilgungsfristen, Mäßigung der Zinssätze, teilweiser Schuldennachlass. Solche Verhandlungen mit den Gläubigern sind historisch nichts Neues (siehe Argentinien, Russland, Mexiko).
Wem wird mit den EU-Paketen (inklusive dem neuen Haftungsrahmen von 750 Milliarden Euro) geholfen? Vordergründig den gefährdeten Ländern der südlichen Eurozone. Aber mindestens so sehr den Gläubigern: Banken, Versicherungen, Pensionsfonds und Anbietern von Kreditversicherungen (CDS). Sie alle haben in der Vergangenheit von geringen, 2010 von enormen Risikoaufschlägen für Staatsanleihen profitiert beziehungsweise kassieren noch lange (je nach Laufzeit) die CDS-Prämien.
Risikoprämien verlangen, aber nicht am Risiko teilhaben? Bei den Gläubigern müssen ja die Sektkorken knallen! Zu den wenigen, die derzeit Verluste einfahren, gehören die Nachfrager nach CDS, wenn sie nicht rechtzeitig, also bis April 2010, ihre CDS-Papiere verkauft haben. Die EU-Pakete, so notwendig sie zur Eindämmung der Hysterie auf den Finanzmärkten wurden, schaffen daher ein riesiges Moral-Hazard-Problem: Sie entlassen die Gläubiger aus jeglicher Verantwortung, aus jeglicher Sorgfaltspflicht bei der Kreditvergabe.
Und das ist keineswegs ein Problem der Eurozone allein. Gemäß "New York Times" stand Ende 2009 bei britischen Finanzinstituten Griechenland mit 15 Milliarden Dollar in der Kreide, Irland mit 188, Spanien mit 114, Portugal mit 24 und Italien mit 77; in Summe 418 Milliarden Dollar in den britischen Forderungsbüchern! Der "Economist" schätzt, dass Schweizer Banken 22 bis 44 Milliarden Euro an griechischen Staatsanleihen im Portfolio haben, das wäre erheblich mehr als der Anteil deutscher Banken.
Die Gläubiger müssen sich an der Bereinigung der Situation beteiligen. Und zwar auch jene aus Nicht-Euro-Ländern. Mit den EU-Paketen wird Zeit gewonnen, mehr nicht; diese Zeit sollte für eine rechtzeitige Restrukturierung der Schulden genutzt werden.
Alexander Van der Bellen ist
Nationalratsabgeordneter der
Grünen. Jeden Freitag lesen Sie hier den Gastkommentar eines Vertreters einer Parlamentspartei.