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Die Eurozone ist schon ein eigenartiger Verbund: Sie schwelgt geradezu in ihren Schwächen und verzichtet darauf, Vorteile der Gemeinschaft auszunützen. Das kann man sympathisch finden, es ist aber ökonomisch völlig widersinnig. Die Währungsunion wird dadurch angreifbar - das ist der Hauptgrund, warum die Eurozone tief in der Krise steckt und kein anderer Wirtschaftsraum.
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Auf den ersten Blick ist gerade das nämlich schwer zu verstehen. Die Krise hat mit der Immobilienblase in den USA begonnen. Dort ist die fatale Lehman-Pleite passiert. Die Eurozone hatte nach außen stets eine ausbalancierte Leistungsbilanz - im Gegensatz zum chronischen Außenhandelsminus der USA. Und, ganz wichtig: Die Haushaltszahlen sind keinen Deut schlechter als anderswo in der Welt. Zum Vergleich: Die Staatsschuldenquote liegt in der Eurozone bei knapp 80 Prozent, in den USA bei 95 Prozent, Japan kratzt sogar an den 200 Prozent. Warum also droht der Eurozone ein Auseinanderbrechen? Die Antwort darauf lautet: Weil sie es zulässt.
Viele ziehen derzeit Kalifornien als Vergleichsmaßstab heran: Der US-Bundesstaat ist pleite, trotzdem würde niemand auch nur eine Sekunde lang am Fortbestand des Dollar zweifeln. Der Vergleich hinkt:
1. Die USA praktizieren einen (wenn auch begrenzten) Finanzausgleich. In Europa war das bisher unvorstellbar.
2. Die USA nützen natürlich den Status des Dollar als Weltwährung, um bei der Kreditaufnahme günstige Konditionen zu erzielen. Deshalb steht die Sicherheit der US-Schatzanleihen auch nicht zur Debatte. Der Euro ist historisch weniger gefestigt und erweist sich überdies als Schönwetterkonstrukt: Die Eurozone gönnt sich den Luxus, auf die gute Bonität der Union zu verzichten; jedes noch so kleine Mitgliedsland muss um die Konditionen seiner Staatsanleihen raufen oder kann (siehe Griechenland) sogar zur Gänze aus dem Kapitalmarkt katapultiert werden: mit, wie man sieht, teuren Konsequenzen.
3. Die Notenbank Federal Reserve springt notfalls als Käuferin von US-Schulden ein, falls Investoren streiken. Das ist kein Verhalten, das Europa kopieren sollte, weil es bedeutet, dass die Gelddruckmaschine angeworfen und die Stabilität der Währung unterwandert wird. Auch die Europäische Zentralbank hat aber bereits Gesetze gebrochen, die unumstößlich schienen: etwa, dass für einzelne Länder keine Ausnahmen gemacht werden - das ist jetzt bei Griechenland der Fall.
4. Die Eurostaaten weigerten sich bis dato, ihr wirtschaftliches Agieren aufeinander abzustimmen.
Um der Krise auch etwas Positives abzugewinnen: Die Macht des Faktischen zwingt die Regierungen dazu, die bisherigen Grenzen ihres nationalstaatlichen Denkens zu erweitern - auch wenn dies (siehe Deutschland) etwas dauert. Dank Krise sind Solidarität und Integration in Europa weiter vorangeschritten, als der politische Wille vorgesehen hätte.