Mit einer groß angelegten Werbekampagne möchte Slowenien nach dem EU-Beitritt auf seine vielfältigen Schönheiten hin-weisen. Doch das Unterfangen ist nicht nur an ein ausländisches Touristenpublikum gerichtet - zugleich soll es auch ein Zeichen nach innen sein. Angesichts der für Herbst geplanten Parlamentswahlen will die Regierung ihren Bürgern zeigen, dass das kleine "Volk der Alpenslawen" als die sich die Slowenen gern sehen, auch nach dem 1. Mai seine nationale Identität behalten wird.
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Heiße Diskussionen um die nationale Identität hat Slowenien in den letzten Jahren genug erlebt. Mit zwei Millionen Bürgern und einer Landesfläche, die nur knapp größer ist als jene von Niederösterreich, wird das Land seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1991 immer wieder von der Angst geplagt, im Ausland nicht ausreichend beachtet zu werden. Mit dem Beitritt zur Europäischen Union sind die Befürchtungen nicht kleiner geworden. Dass der slowenische Vorzeigephilosoph Slawoj Zizek zu den schärfsten Kritikern eines neuen, von Deutschland und Frankreich dominierten Kerneuropa zählt, fügt sich so gesehen durchaus ins Bild. "Wir sind eben eine kleine Nation und dadurch auch für niemand gefährlich", fasst der ehemalige slowenische Parlamentspräsident Jozef Skolc die slowenische Befindlichkeit ein wenig resignierend zusammen.
Im Vorjahr schon hat Skolc mit einem ungewöhnlichen Vorschlag aufhorchen lassen. Er machte sich mit einer Gruppe von 72 Abgeordneten des neunzigköpfigen Parlaments dafür stark, Slowenien eine neue, unverwechselbare Staatsfahne zu verpassen. Denn die gegenwärtige Flagge sieht nicht nur der russischen ähnlich, sie ist bis auf ein Symbol im linken oberen Eck auch ident mit jener der Slowakei. Und mit Slowaken werden die Slowenen sowieso permanent verwechselt - nicht nur von George W. Bush. Auch in vielen Postämtern der Welt hat sich der Unterschied offenbar noch nicht wirklich herumgesprochen: Briefe nach Laibach nehmen daher immer noch oft den ungewollten Umweg über die slowakische Hauptstadt Bratislava. Und bei Sportveranstaltungen ertönt nicht selten statt der slowenischen eben die slowakische Hymne.
Musterschüler
Slowenien, das schon zur Zeit von Titos Partisanenkampf seine Unabhängigkeit dadurch unter Beweis stellte, dass die slowenischen Kämpfer zunächst nur die slowenische Fahne und keinen roten Stern als Symbol trugen, war das erste Land, das sich aus dem jugoslawischen Republikenverbund löste. Während der Vorbereitungszeit auf den EU-Beitritt galt Slowenien nahezu ununterbrochen als ein Musterschüler, der sämtliche von Brüssel gestellten Aufgaben brav und pünktlich erfüllte. Etwas mehr Anerkennung hätten sie sich dafür schon gewünscht, hört man viele Slowenen nun sagen. Doch immer noch, spottet der slowenische Schriftsteller Ales Debeljak, bilden die "Original Oberkrainer" den populärsten Exportartikel seines Landes. Bloß, dass die Hälfte jener, die die fidelen Polkas der Oberkrainer konsumieren, vermutlich gar nicht wissen, dass sie da einer slowenischen Volksmusikgruppe lauschen.
Die Angst, im großen Europa unterzugehen, vermag den Slowenen nicht einmal Paulo Coehlo zu nehmen. Der ließ seinen Bestseller "Veronika beschließt zu sterben" in Slowenien spielen und machte eine junge Laibacherin zur Titelfigur. Damit fand das kleine Land zwar Eingang in die massenmedial vermarktete Populärliteratur des Westens, allerdings eher als Sinnbild für ein wenig aufregendes Irgendwo denn als klar fassbare Größe.
Doch Schwierigkeiten damit, ihre Identität in Worte zu fassen, haben auch die Slowenen selbst. Mediterran, pannonisch und alpin zugleich sei die slowenische Tradition behaupten sie. Ja, selbst das von fast allen Slowenen einmütig bekundete Credo: "Wir gehören zu Europa, nicht zum Balkan", ist weniger zur Identitätsstiftung geeignet als es auf den ersten Blick scheinen mag. Denn natürlich: Konsumgüter aus dem Westen waren in Slowenien schon zu jugoslawischen Zeiten ein probates Abgrenzungsmittel gegenüber den ärmeren Teilrepubliken, doch heute, dreizehn Jahre nach der Loslösung von Belgrad ist auch klar: Die postjugoslawischen Staaten verbindet mehr als sie bisweilen zugeben wollen, kulturell ebenso wie wirtschaftlich. So sind etwa die slowenischen Adria Airways dabei, zum profiliertesten Carrier am Balkan zu werden, unzählige kroatische und serbische Firmen gehen Kooperationen mit slowenischen Partnern ein und unter den 54.000 ständig in Slowenien lebenden Ausländern stammen, wie die Wochenzeitung Zurnal unlängst berichtete, 89 Prozent aus dem ehemaligen Jugoslawien.
Dennoch ist zu erwarten, dass sowohl beim Wahlkampf für die EU-Wahlen als auch jenem für die Parlamentswahlen im Herbst alle Parteien erneut darauf achten werden, sich deutlich vom jugoslawischen Erbe des Landes abzugrenzen. Der Streit um das Referendum über die Anerkennung der Rechte der sogenannten "Ausgelöschten", also jener nichtslowenischer Bürger Ex-Jugoslawiens, die in Slowenien gemeldet waren, nach der Unabhängigkeit aber zum Teil das Recht auf slowenische Staatsbürgerschaft verloren, hat schon Anfang April erkennen lasen, dass diesmal jedoch vor allem das oppositionelle konservative Lager verstärkt auf die nationale Karte setzen dürfte.