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Israels Politik ist tribalistischer und extremer geworden.
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Mit 73 Jahren steht Benjamin Netanjahu vor einem politischen Comeback. In der fünften Wahl innerhalb von dreieinhalb Jahren hat seine rechtskonservative Likud-Partei nach jetzigem Auszählungsstand die meisten Stimmen einfahren können. Wenn das amtliche Ergebnis den derzeitigen Trend bestätigt, wird Israels Präsident Izchak Herzog Netanjahu mit der Regierungsbildung betrauen. Die Acht-Parteien-Koalition des Noch-Ministerpräsidenten Naftali Bennett wird - wie es derzeit aussieht - von Netanjahus Koalition aus Likud sowie Bezalel Smotrichs rechtsextremer und religiös-zionistischer Partei HaTzionut HaDatit und Itamar Ben-Gvirs Otzma Yehudit (Jüdische Stärke) abgelöst.
Der ehemalige Premierminister Ehud Olmert (77 Jahre), der Netanjahu 2006 seine bisher schwerste Niederlage bereitet hatte, sagte kürzlich gegenüber dem deutschen Nachrichtenmagazin "Spiegel": "Man muss die Gnadenlosigkeit bewundern, mit der Netanjahu um die Macht ringt. Diese Leidenschaft fehlt mir auf der anderen Seite."
Netanjahu hat freilich gute Gründe für seinen eisernen Machtwillen: Seit Jahren wird wegen Korruptionsvorwürfen gegen ihn ermittelt. Ebenfalls im "Spiegel" brachte es der israelische Journalist Meron Rapoport auf den Punkt: "Für ‚Bibi‘ geht es wieder einmal um alles. Sieg oder Untergang. Macht oder Knast."
Dabei ist Netanjahu ideologisch durchaus flexibel: Bei der vergangenen Wahl im März 2021 hat er sogar mit einer Allianz mit der islamistischen Ra’am von Mansour Abbas geliebäugelt. Diesmal sollen ihm rechtsextrem-zionistische Parteien den Weg zur Macht ebnen. Netanjahus zukünftiger Partner Ben-Gvir wurde bekannt, als er wenige Tage vor der Ermordung von Jitzchak Rabin Drohungen gegen den legendären israelischen Premier aussprach. In Ben-Gvirs Wohnzimmer hing ein Porträt des Terroristen Baruch Goldstein, der 1994 in Hebron 29 Palästinenser getötet hatte. Der Befürworter der Todesstrafe ist ein vielfach vorbestrafter Hetzredner, der in der Vergangenheit auch vor Gewalt nicht zurückgeschreckt ist. Smotrich, Netanjahus Partner Nummer zwei, ist nicht minder extremistisch: 2017 schockierte er mit einem "Unterwerfungsplan". Dessen Ziel war es, "jegliche nationale Hoffnung der Palästinenser auszulöschen".
Die Politik in Israel ist mit dieser jüngsten Wahl tribalistischer und extremistischer geworden - liberalen Regierungen im Ausland wird die Unterstützung Israels in Zukunft nicht leichter fallen. Für die israelische Demokratie bedeutet ein Comeback Netanjahus nichts Gutes: Denn er hat eine Justizreform angekündigt - seine Kritiker befürchten, dass es ihm vor allem darum gehen wird, die Korruptionsermittlungen gegen ihn selbst zu stoppen.