Zum Hauptinhalt springen

Die EZB setzt auf Flexibilität

Von Jörg Zeuner

Gastkommentare
Jörg Zeuner ist Chefvolkswirt und Leiter Research & Investment Strategy bei Union Investment sowie Mitglied des Union Investment Committee.
© Union Investment

Die am Markt gehegten Erwartungen dürften enttäuscht werden.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 2 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Wie viele andere Notenbanken dürfte die EZB bald beginnen, ihre geldpolitischen Hilfen zurückzufahren. Am Kapitalmarkt kann das für Enttäuschung sorgen. Negative Konjunkturauswirkungen infolge niedriger Impfquoten in Teilen Europas werden auf die Wintermonate beschränkt bleiben. Konkret ist zu erwarten, dass die EZB das Ende der Netto-Anleihekäufe im Rahmen des Notfallankaufprogramms PEPP per Ende März 2022 verkünden wird. Von diesem etwas restriktiveren geldpolitischen Kurs dürfte sie nur abweichen, falls die Omikron-Variante zu globalen Lockdowns führt. Das ist derzeit aber nicht absehbar.

Damit bleibt die EZB in ihrer Geldpolitik auf drei Botschaften festgelegt. Erstens dürfte sie bei den Anleihekäufen und in der langfristigen Kreditvergabe an Banken die Zügel anziehen. Gleichzeitig wird sie darauf achten, dass sie die Konjunktur nicht abwürgt. Deshalb dürfte sie im nächsten Jahr - anders als die Fed oder die Bank of England - die Zinsen noch nicht anheben. Bei der Drosselung der Wertpapierkäufe schwenkt sie also auf den Kurs der meisten Notenbanken ein. In der Zinspolitik zeigt sie aber ein anderes Gesicht und bleibt noch länger locker - das ist die zweite Botschaft.

Die dritte Botschaft ist, dass sich die Kapitalmärkte an deutlich vagere Aussagen der EZB zu ihren geldpolitischen Absichten gewöhnen müssen. Das dürfte für Enttäuschung sorgen. Angesichts der großen Unsicherheit rund um Wachstum und Inflation nach der Pandemie sichert sich die EZB so ihre Flexibilität. Denn seit sie die Kommunikation ihrer geldpolitischen Absichten als Steuerungsinstrument einsetzt, greift sie in der Regel auf "Wenn-dann"-Formulierungen zurück. Dies war in einem Umfeld mit dauerhaft niedrigen Inflationsraten und fallenden Realzinsen richtig. Doch infolge der Pandemie ist der Inflationsausblick unsicher - und die EZB ist gut beraten, sich in ihrer Ausrichtung nicht zu sehr festzulegen. Pendelt sich die Inflation wie zu erwarten längerfristig auf einem erhöhten Niveau näher am Ziel von 2 Prozent ein, dann kann die Notenbank konsistent handeln.

Es ist zu erwarten, dass sich die EZB bei ihrer Ratssitzung am 16. Dezember bedeckt halten wird, wie sie nach dem Auslaufen des PEPP ihre Anleihekäufe gestaltet. Damit dürfte sie die am Markt gehegten Erwartungen enttäuschen. Diese setzen darauf, dass nach dem Ende von PEPP die Anleihekäufe sehr hoch bleiben - nur eben im Rahmen des allgemeinen Ankaufprogramms APP. Wenn überhaupt, könnte die EZB das monatliche Kauftempo nach März 2022 nur geringfügig und für kurze Zeit hochfahren. Sie behält dadurch ausreichend Spielraum, um gegen eine hohe Inflation vorgehen zu können. Mittelfristig ermöglicht ihr das, bei Verbrauchern und Unternehmen ihre durch die zuletzt schmerzhaft hohe Teuerung angekratzte Glaubwürdigkeit wieder zu stärken - gerade in Deutschland, wo die Inflationsrate besonders hoch ist.

Auch wenn es paradox erscheint: Der beste Weg zur Stärkung der Glaubwürdigkeit ist es, wenn die EZB im aktuell unsicheren Umfeld ein hohes Maß an Flexibilität zeigt. So kann sie signalisieren, dass sie ihr Mandat der Preisstabilität ernst nimmt.