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Washington - Mit dem Ende des Krieges ist die Zeit der Abrechnung gekommen - nicht nur im Irak, sondern auch in Washington. Durch den raschen militärischen Sieg sehen die "Falken" nicht nur ihr Konzept der Präventivaktionen unwiderlegbar bestätigt, sondern auch die von den "Tauben" favorisierten multilateralen Lösungsansätze für internationale Krisen endgültig diskreditiert. Die Gunst der Stunde wollen sie nutzen, um den Einfluss des Pentagon auf die Außenpolitik auszubauen - doch der Machtkampf mit den Diplomaten im State Department ist keineswegs entschieden.
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Donald Rumsfeld, der Held der "Falken", steht nach seinem zweiten erfolgreichen Feldzug in eineinhalb Jahren jedenfalls glänzend da. Die "Washington Post" konstatierte seine "ungewöhnlich starke Rolle" in der Gestaltung der Außenpolitik. Und Rumsfeld-Berater Richard Perle stellte in der "New York Times" zufrieden fest, dass er in Äußerungen von Präsident George W. Bush immer öfter "die Sichtweise und Argumente" des Verteidigungsministers wiedererkenne.
Rumsfeld verzichtet zwar auf allzu lautes Triumphgeschrei - auch kein schlechtes Wort über die Kollegen im State Department kommt über seine Lippen. Und Außenminister Colin Powell betont seinerseits, dass er mit "Don" gut klarkomme. "Natürlich" gebe es manchmal Differenzen, "aber wir regeln sie als zwei Leute, die dem selben Volk und dem selben Präsidenten dienen".
Dennoch deutet einiges darauf hin, dass sich seit dem Erfolg im Irak die Spannungen zwischen Pentagon und State Department wieder verschärft haben. So entsandte Rumsfeld auf eigene Faust den Exilpolitiker Ahmed Chalabi in den Irak, obwohl dieser im Außenministerium einen schlechten Ruf hat. Und zu den Nordkorea-Gesprächen in Peking hätte das Pentagon laut "Washington Post" statt James Kelly lieber John Bolton geschickt, einen Hardliner im Außenamt, der als Vertrauter Rumsfelds gilt. Powell hielt jedoch an Kelly fest.
Zwar wollen wohl auch die meisten "Falken" nach Irak nicht sofort die Truppen gegen den nächsten Feind in Marsch setzen. Doch die günstige Lage nach dem militärischen Triumph wollen sie nutzen, um einen harten Kurs in der Außenpolitik zu zementieren, der auf Drohung statt Diplomatie gegenüber anderen "Schurkenstaaten" setzt und der als lästig und hinderlich empfundenen UNO endgültig eine Nebenrolle zuweist.
Das von moderaten Kräften beherrschte Außenministerium steht solchen Ambitionen im Wege. In einer Aufsehen erregenden Rede forderte deshalb der frühere ultrakonservative Vorsitzende (Speaker) des Repräsentantenhauses und heutige Pentagon-Berater Newt Gingrich eine grundlegende Reform der Powell-Behörde, die im Vorfeld des Krieges an allen Fronten versagt habe. Als Beispiele nannte Gingrich die Probleme mit der Türkei, mit Frankreich und mit dem UNO-Sicherheitsrat.
"Falken" wie Gingrich beschwören bereits die Gefahr, dass das Außenministerium die "Früchte" des Irak-Erfolges vergeude. Powells angekündigte Reise nach Syrien halten sie für einen Irrsinn, da so der Druck auf die dortige Führung gemildert werde. Und Gingrich geißelte auch die Zusammenarbeit mit Russland, Frankreich und der UNO im "Nahost-Quartett" als "Desaster der amerikanischen Diplomatie", die sich damit nur neuen Obstruktionsmanövern ihrer Rivalen aus der Irak-Kontroverse aussetze.
Doch Powell hat in den vergangenen zwei Jahren schon zu viele interne Konflikte ausgestanden, als dass er sich nun leicht ins Abseits drängen ließe. Und beim Präsidenten findet er offenbar durchaus weiter Gehör - wie Bushs zuletzt mildere Töne gegenüber Syrien zu zeigen scheinen. Auch den von Powell zusammen mit den Partnern im "Nahost-Quartett" erarbeiteten "Fahrplan" für Israelis und Palästinenser hat sich der Präsident auf die Fahne geschrieben.