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Warum gehört eigentlich die nationale Arbeitslosenrate, oder - um ins Detail zu gehen - die Jugendarbeitslosigkeit, nicht zu den Maastricht-Kriterien?
40 Prozent aller Arbeitslosen sind unter 24 Jahre alt, errechnete die Internationale Arbeitsorganisation, eine Agentur der UNO. Ein Schuldenstand von (deutlich) mehr als 60 Prozent, ein Budgetdefizit über 3 Prozent oder eine Inflationsrate in dieser Höhe führt zu hektischen politischen Aktivitäten; und Ökonomen aller Länder prophezeien den Euro-Untergang. Die EU-Kommission beginnt sich einzumischen, Länder verlieren einen Teil ihrer Souveränität.
Eine dermaßen exzessive Arbeitslosigkeit, vor allem bei den Jugendlichen, lässt alle europäischen Institutionen dagegen in Regungslosigkeit verharren. Kein Sondergipfel, kein Mahnschreiben der EU-Kommission, ja nicht einmal ein Aufschrei der Ökonomen, die Währungsunion wäre in Gefahr.
Wenn Europa klug wäre, würde es sich zusätzlich solche Kriterien geben. Denn die ausschließlich auf monetäre Eckpunkte festgezurrte Teilnahme am Euro stößt bei den Bürgern auf immer weniger Verständnis. Die EU und der Euro sind deshalb abstrakt geblieben und in weiten Teilen der Bevölkerung unbeliebt, weil die Maastricht-Kriterien auf die populär-ökonomischen "Maastricht-Kriterien" keine Rücksicht nehmen: Menschen wollen Arbeit, Jugendliche eine Perspektive für Bildung und Beruf. Auch dies ist Stabilität.
Wenn Europa das nicht bieten kann, werden sich immer mehr Menschen davon abwenden. Dann werden die allgemeinen Wahlen von EU-kritischen Parteien gewonnen, die ihrerseits - sobald sie in Regierungsverantwortung sind - weiter Sand ins Getriebe der europäischen Integration schütten.
Wenn also die EU-Regierungschefs beim bevorstehenden Treffen manch klugen Wachstumsimpuls beschließen, wird dieser als Stückwerk betrachtet werden. Ökonomen, der Währungsfonds, die OECD werden applaudieren. Aber werden dies auch die Bürger tun? Die EU sollte, wenn sie ihre Institutionen schon reformieren möchte, die Konvergenz-Kriterien grundsätzlich überdenken und um Beschäftigung, Bildungsniveau, Forschungsquote ergänzen: Für solche Vertragsänderungen wird es vermutlich überall in Europa satte Mehrheiten geben.