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Die Fassade der Einigkeit

Von Judith Belfkih

Leitartikel

Faktenbasierte, nachvollziehbare Entscheidungen sehen definitiv anders aus.


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Der Auftrag des Bundespräsidenten an die frisch angelobte Regierung war unmissverständlich: Sie müsse "der Bevölkerung reinen Wein einschenken", faktenbasierte Entscheidungen in der Pandemiebekämpfung treffen und über diese in nachvollziehbarer, gemeinsamer Kommunikation informieren. Dass eben das die Grundvoraussetzung für erfolgreiches Pandemiemanagement ist, darüber sind sich die Experten längst einig. Nach dem ersten Corona-Gipfel unter Neo-Kanzler Karl Nehammer muss man sagen: Am zentralen Auftrag Alexander Van der Bellens ist die neue Regierung gescheitert. Auch wenn man Einigkeit demonstrierte: Von einer bundesweit einheitlichen, evidenzbasierten und damit nachvollziehbaren Lösung ist der Fleckerlteppich an Lockdown-Enden weit entfernt. Unterschiedliche Bereiche sperren in einzelnen Bundesländern zu verschiedenen Zeitpunkten auf. Mit der pandemischen Lage korrelieren diese Differenzen nicht. Öffnung und niedrige Viruslast gehen nicht Hand in Hand, im Gegenteil. Die Entscheidungen der Länder sind damit nicht primär wissenschaftlich faktenbasiert, sondern politisch oder wirtschaftlich motiviert.

Einigkeit herrschte beim Gipfel nur in drei Punkten: Der Lockdown für Ungeimpfte geht nach dem 11. Dezember weiter, das Öffnen unterliegt strengen Regeln, und noch wichtiger: Bund und Länder gingen relativ ergebnisoffen in die Beratungen. Letzteres ist die gute Nachricht dieses enttäuschenden, den Erfolg der Maßnahmen vielleicht sogar gefährdenden Flickwerks. Es ging bei diesem Gipfel nicht darum, die Länder im Krisenmanagement auf Linie zu bringen, sondern um offenen Dialog und Austausch. Der unmittelbare Preis dafür zeigt sich in der verwirrenden Vielstimmigkeit der Lösungen. Denn sie entlarvt die neue Einigkeit als bloße Fassade.

Nehammer ist mit dem erklärten Ziel angetreten, das Virus zu beschränken, damit es nicht länger uns beschränkt. Und er hat sich vorgenommen, die Spaltung der Gesellschaft einzudämmen. Soll das gelingen, muss der Kanzler erst die Spitzenpolitik hinter sich versammeln - nicht nur mit schönen Worten, sondern auch mit geeinten Taten. Dialog ist da sicher ein erster Schritt.

Das Virus ist gekommen, um zu bleiben. Da sind Experten mittlerweile einig. Auch der Politik ist klar geworden, dass sie ihre Maßnahmen darauf wird ausrichten müssen, um nicht Versprechen abzugeben, die nicht zu halten sind. Dass das Virus sich nicht an die Ankündigungen der Politik hält, hat es ja schon eindrucksvoll bewiesen. An der Politik liegt es dennoch, jetzt durch Einigkeit und Transparenz Sicherheit zu vermitteln. Unsicherheiten birgt das Virus selbst genügend in sich.