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Die Favoritin hat schließlich doch das Rennen gemacht. Mit Ursula Plassnik hat Bundeskanzler Wolfgang Schüssel jene Person zur neuen Außenministerin gemacht, die in den Medienspekulationen stets als wahrscheinlichste Variante gehandelt wurde. Der Kanzler selbst streute seiner langjährigen Vertrauten und engen Mitarbeiterin bei der gestrigen Präsentation Rosen: Diese sei "kreativ, eigenständig, mit einer eigenen Handschrift und noch dazu eine ausgezeichnete Teamspielerin".
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Die designierte Außenministerin, die bereits morgen von Bundespräsident Heinz Fischer in der Hofburg angelobt wird, zeigte sich erfreut über so viel Wertschätzung: "Ich bitte um Entschuldigung, wenn ich jetzt angesichts so viel Lobes errötet sein sollte."
Tatsächlich besteht an Plassniks Qualifikation für ihre neue Aufgabe kein Zweifel, das zeigen auch die weitgehend positiven Reaktionen der anderen Parteien auf ihre Bestellung. Die groß gewachsene Kärntnerin (48), die seit heuer als Botschafterin in Bern fungiert, kennt das Außenministerium und den diplomatischen Dienst in- und auswendig. Als langjährige Kabinettschefin von Schüssel hatte sie noch dazu reichlich Gelegenheit, politische Erfahrung zu sammeln. Beobachter strichen auch immer wieder die unbedingte Loyalität der - zumindest bis dato - äußerst medienscheuen Diplomatin gegenüber dem Bundeskanzler hervor.
Ungeachtet der wochenlangen medialen Spekulationen um Plassnik will dieser seine Ex-Kabinettschefin erst vor einer Woche gefragt haben, ob sie bereit sei, die neue Aufgabe anzunehmen. Dem Ja sei dann aber doch eine schlaflose Nacht vorausgegangen, erzählte Plassnik, die übrigends auch dementierte, den Job anfangs abgelehnt zu haben, wie manche Medien noch vor wenigen Tagen fest zu wissen glaubten.
Dass sie dieser Charaktereigenschaft auch in ihrer neuen Tätigkeit weiter treu bleiben will, machte Plassnik gestern deutlich: Es habe ihr noch niemand den Mehrwert einer nicht-abgestimmten Außenpolitik erklären können.
Während Plassnik auf die Frage nach ihrer künftigen politischen Selbständigkeit trocken mit der Bemerkung, sie habe sich um ihre Selbständigkeit noch nie Sorgen machen müssen, replizierte, antwortete der Bundeskanzler launig mit einem Verweis auf die doch beachtlichen Größenunterschiede: "In meinem 1,72m-Schatten steht niemand, der wesentlich größer ist als ich."
Auch inhaltlich will die neue Ressortchefin vor allem auf Kontinuität setzen. Zwar wollte sie vor ihrer Angelobung noch keine außenpolitische Grundsatzrede halten, doch ließ sie keinen Zweifel daran, dass sie die von ihrer Vorgängerin Benita Ferrero-Waldner begründete Regionale Partnerschaft mit den östlichen Nachbarn mit Leben erfüllen wolle. Weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit werden die Ratifizierung der EU-Verfassung sowie die Vorbereitung der EU-Präsidentschaft Österreichs im ersten Halbjahr 2006 sein. Für die künftige Ressortchefin ist Außenpolitik heute mehr denn je zuvor "Teamarbeit". Dementsprechend wolle sie das Ministerium als "modernes Dienstleistungsunternehmen führen" und ihre neue Tätigkeit mit "Ernsthaftigkeit und Engagement" angehen.
Endgültig den letzten Rest von Nervosität abgelegt hatte Plassnik als die persönliche Präsentation abgeschlossen war und es galt, zu außenpolitischen Fragestellung Position zu beziehen. Die Aufnahme von EU-Verhandlungen mit der Türkei sei "nichts, wovor man sich zu fürchten brauche". Diese dienten dazu, offene Fragen zu klären. Auch wolle sie kein Förderband betreten, bei dem die Stopp-Taste fehle", weshalb die Verhandlungen mit offenem Ausgang zu führen seien.
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Biografie
Mit Ursula Plassnik (48) wird die Top-Kandidatin von Bundeskanzler Wolfgang Schüssel Außenministerin. Die Botschafterin in Bern verfügt über internationale Erfahrung. Als ehemalige Kabinettchefin gilt sie als Vertraute Schüssels. Nachgesagt wird Plassnik, die ihr Jus-Studium schon mit 21 Jahren beendet hat, die Fäden im Hintergrund zu ziehen. Von ÖVP-Insidern wird sie stets als "Frau mit sehr viel Macht" beschrieben. Nach außen wirkt Plassnik oft unterkühlt, langjährige Freunde schreiben ihr hingegen eine besondere Herzlichkeit zu, etwa die Grüne Vizechefin Madeleine Petrovic, eine alte Studienkollegin.
Ursula Plassnik hat eigentlich einen roten Hintergrund. Sie wuchs als Tochter eines sozialdemokratisch gesinnten Klagenfurter Lehrerehepaares auf. Und ihr erster Mann, mit dem sie allerdings nur acht Monate verheiratet war, ist der heutige - SPÖ-nahe - Parlamentsdirektor Georg Posch. Ihre zweite Ehe mit dem Schweizer Diplomaten Gerard Stoudmann, ehemaliger Leiter des OSZE-Büros für Menschenrechte in Warschau, wurde Anfang 2003 geschieden.
Als "Entdecker" Plassniks gilt der heutige österreichische EU-Botschafter Gregor Woschnagg, früher Leiter der wirtschafts- und integrationspolitischen Abteilung im Außenministerin. "Sie war erfreulich erfrischend und direkt, tough und sachlich kompetent", wurde Woschnagg im Vorjahr anlässlich Plassniks Wechsel nach Bern zitiert.
Schüssel wurde auf Plassnik aufmerksam, als sie in jenem Stab arbeitete, der mit den Vorbereitungen für die österreichische EU-Präsidentschaft betraut war. Aus den Dossiers, die sie zusammenstellte, entwickelte sich eine intensive Arbeitsbeziehung, bis Schüssel sie 1997 bat, seine Kabinettschefin zu werden. 2000 sollte Plassnik Ständige Vertreterin beim Europarat in Straßburg werden. Doch sie blieb in Wien, um Schüssel im erstem Kanzlerjahr beizustehen. Nunmehr ist sie wieder den Wünschen des Kanzlers gefolgt. Ihr Traumjob soll das Außenamt nicht unbedingt gewesen sein, wird kolportiert.