Zum Hauptinhalt springen

Die Fed steht vor aggressiven Schritten - die Notenpresse wird bald wieder angeworfen

Von Hermann Sileitsch

Analysen

Gerade entscheidet das wichtigste Gremium der US-Notenbank, das Federal Open Market Committee (FOMC), über die weitere US-Geldpolitik. Selten waren sich Analysten so einig: Die Fed wird wohl ein weiteres Ankaufprogramm für Anleihen beschließen. Sie wirft also die Notenpresse an.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Das erhöht die Inflationserwartung, drückt den Dollar-Wert und senkt die langfristigen Zinsen. Da in der Folge auch die Zinsen von Unternehmensanleihen sinken, sollte dies - so die Theorie - Investitionen und damit das Wachstum fördern.

Das Ankaufprogramm wird freilich schon seit Monaten, genauer seit 21. September, erwartet. Anders als so oft ist das kein Ergebnis von Indiskretion: Die Fed selbst schürte die Erwartung durch gezielt lancierte Aussagen. Zum erweiterten Waffenarsenal einer Zentralbank gehört auch die Kommunikation: Mehr oder minder verhohlene Ankündigungen können Erwartungen heben oder dämpfen. Ende September betonte die Fed die Gefahren der Konjunktur-Abschwächung und der hohen Arbeitslosigkeit. Die - mit üblicher Zeitverzögerung - am 12. Oktober veröffentlichten Protokolle zeigen, dass einzig der Chef der Notenbank von Kansas, Thomas Hoenig, den Ausstieg aus der Politik des ultra-billigen Geldes forderte. Er warnte sogar vor einem "Geschäft mit dem Teufel", blieb damit aber der einzige Mahner im FOMC-Board.

Seit Wochen diskutieren US-Finanzmedien vor allem über "QE2", die Neuauflage von "Quantitative Easing", wie man im angloamerikanischen Sprachraum die geldpolitische Lockerung nennt. Die Fed kaufte bereits im Vorjahr Staatsanleihen und Hypotheken um 1,75 Billionen Dollar auf.

Was bezweckt sie jetzt? Sie hat nicht viele anderen Optionen zur Konjunkturankurbelung. Die Standardmaßnahme, eine Leitzinssenkung, ist ausgereizt - dieser wird wohl auf dem Rekordtief bei 0,0 bis 0,25 Prozent bleiben. Die Notenbanker müssen also erneut zu außergewöhnlichen Mitteln greifen. Uneinig sind sich die Experten, wie und vor allem wie hoch das Kaufprogramm zur Konjunkturstützung ausfallen wird. Genau darin liegt das Risiko: Da die Käufe schon so lange angekündigt sind, haben Investoren dies schon in die Aktienkurse und Konjunkturerwartung eingepreist. Sollten die Käufe geringer ausfallen, könnte die Enttäuschung groß und ein Kurssturz die Folge sein.

Der UniCredit-Chefvolkswirt Marco Annunziata hat überhaupt Bedenken, ob die Rechnung aufgeht. "Ben Bernanke wird wahrscheinlich erleben, dass man mit Geld kein Wachstum kaufen kann." Das größte Hindernis für eine schnellere wirtschaftliche Erholung sei nicht der Mangel an Liquidität: Billige Kredite gebe es schon jetzt ausreichend. Das helfe aber nicht, wenn die Unternehmen einer unsicheren Zukunft entgegensähen. Notwendig sei vielmehr eine längere Phase des Schuldenabbaus.

Selbst wenn das Wachstum anziehen sollte, bleibt die Hauptsorge der USA: die hohe Arbeitslosigkeit, die nicht einmal durch höheres Wachstum sinkt. Warum das so ist, können selbst Ökonomen nicht schlüssig begründen - es erklärt aber, warum die Krise in den USA viel dramatischer wahrgenommen wird als in Europa. Seit dem zweiten Quartal 2007 (kurz vor Krisenbeginn) sank die Wirtschaftsleistung der Eurozone um 1,1 Prozent, in den USA stieg sie um 2,3 Prozent. Die Arbeitslosenrate stieg im Euroraum um etwa 2,5, in den USA aber um rund 5 Prozentpunkte.

Die Fed-Strategie ist riskant: Die billigen Kredite könnten spekulativ eingesetzt werden und neue Blasen befeuern - vor allem wird mit massiven Mittelabflüssen in Richtung boomender asiatischer Schwellenländer gerechnet. Zudem ist die Inflation üblicherweise schwierig zu kalibrieren: Derzeit liegt sie unter den Zielen der Fed; ein Ansteigen wäre also in ihrem Sinne. Längerfristig könnte die Inflation freilich außer Kontrolle geraten.

analyse@wienerzeitung.at